Schenkebier statt Gönnenwein!

■ Die taz enthüllt: Ein Breakdancer soll neuer Generalintendant in Stuttgart werden/ Lothar Späths einstiger Kultur-Staatsrat stürzte sich durch Mißwirtschaft selbst

Der letzte Vasall im einstigen Kultur-„Sonnenstaat“ des einstigen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth ist gefallen: Wolfgang Gönnnenwein (59), der Generalintendant der Württembergischen Staatstheater, stürzte sich selbst. Die von Gönner Späth geförderte schwindelerregende Karriere des ehemaligen Rektors der Stuttgarter Musikhochschule gipfelte 1988 in seiner Ernennung zum ehrenamtlichen Staatsrat mit Sitz im Kabinett. Doch durch den Job im Rampenlicht gerieten auch Eitelkeit und Selbstherrlichkeit des umtriebigen Kulturmanagers ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Mit Späths Sturz geriet sein Schützling rapid ins Rutschen. Er bekam sein Haus nicht mehr in den Griff: wachsendes Defizit, ungedeckte Ausgaben, Personalquerelen, sinkendes Renommee. Flugs verkündete er das „Aus“ für das Kammertheater, sein Schauspieldirektor Jürgen Bosse warf ihm daraufhin genauso flugs den Bettel hin. Die Rufe nach Gönnenweins Abgang wurden lauter; trotzdem verlängerte der Verwaltungsrat (Vorsitzender: Stuttgarts OB Rommel), noch am 9. November seinen Vertrag. Doch letzten Freitag konnte sich selbst ein Gönnenwein nicht mehr halten und erklärte seinen Rücktritt.

Wird es überhaupt einen Nachfolger geben? Braucht es überhaupt einen? Die taz weiß – exklusiv – schon mehr: Nämlich wer der Nachfolger sein wird. Und wer alles eingefädelt hat.

Wir veröffentlichen exklusiv: Neuer Generalintendant der Baden-Württembergischen Staatstheater zu Stuttgart wird der Breakdancer Gerhard Hartmut Schenkebier (29). Der Solotänzer einer Straßentheatergruppe, ein enger Bekannter des früheren Ministerpräsidenten Lothar Späth, wurde von letzterem in einem Fußgängerbezirk in Jena gesichtet, als er, aus Geislingen ober der Steige kommend, gastweise seine Kunst zeigte. Späth war sogleich von der Virtuosität des jungen Tanzbesessenen begeistert und lud ihn zu einer wohlbezahlten Extravorstellung vor dem Management-Nachwuchs der maroden Carl-Zeiss- Betriebe. Dort kam man ins Gespräch. Ob er auch dirigieren könne, fragte Späth. Nö, eigentlich nich, soll Gerhard Hartmut Schenkebier versetzt haben, er habe an der Musikhochschule mal einen Kurs bei einem gewissen Gönnerlein oder so besucht, aber der sei Scheiße gewesen, total unproduktiv.

Mensch, so ein Zufall, habe Späth gerufen, den Gönnerlein kenn' ich auch! Ob Schenkebier schon mal daran gedacht habe, das Tanzen ganz aufzugeben und sich voll seinem eigentlichen Hobby („Hoppy“, sagte Späth nach Zeugenberichten) zu widmen, nämlich dem Repräsentieren und Dirigieren anderer Menschen. Gerhard Hartmut Schenkebier kam mit sich selbst überein, daß ein Dirigierkurs bei diesem gewissen Gönnerlein eine ausreichende Gewähr dafür biete, diese Tätigkeiten verantwortungsvoll auszuüben. Okay, sagte er. Prima, sagte Späth, da werde nämlich in Stuttgart gerade eine Stelle frei. Gerhard Hartmut Schenkebier, der sich privat sehr für moderne Lyrik interessiert, erbat sich drei Stunden Bedenkzeit. Dann sagte er schweren Herzens ja.

Den dämlichen Job dieses sogenannten Generalintendanten wolle er aber nur unter einer Bedingung antreten: daß der alte Intendant zehn Jahre lang ins Kammertheater eingeschlossen würde und dort jeden Abend der jeweiligen Landesregierung Texte von Arthur Rimbaud, Hans Arp und Wolf Wondratschek vorstammeln und vorsingen müßte. Und daß er, Schenkebier, derweil repräsentieren dürfe. Lothar Späth war sofort einverstanden. Über Geld wurde nicht gesprochen. Wann er denn in Zukunft zu tanzen gedenke, fragte der Alt-Ministerpräsident den Neu-Generalintendanten noch. Oooch, das könne man nachmittags erledigen, soll Gerhard Hartmut Schenkebier erwidert haben. Dieser Gönnerlein solle ja ein ziemlicher Kalbskopf gewesen sein, der immer nur in seinem Büro gehockt und anderen Idioten die Hand gedrückt habe. Er, Schenkebier, sei da geradeheraus. Er bevorzuge den reputationsstärkenden Bewegungssport, eine zukunftweisende Disziplin: den Tanz ums goldene Kalb. Rudi Knoche