: Spekulationen um toten Privatdetektiv
■ Der Mann recherchierte das ungeklärte Ende von Uwe Barschel
Zürich (taz) – „Mysteriöser Tod eines Detektivs“ – unter diesem Titel meldeten die schweizerischen Zeitungen am Montag den Hingang des Genfer Privatdetektives Jean-Jacques G. Der Mann wurde bereits am Montag vergangener Woche im Massagesalon einer Prostituierten in Zürich tot aufgefunden. Der Kunde, so gab diese zu Protokoll, habe sich plötzlich an die Herzgegend gegriffen und sei zusammengebrochen. Die Zürcher Kripo geht von einem natürlichen Tod aus. Der Mann habe einen Herzanfall erlitten.
Vorsorglich wurde jedoch eine Obduktion der Leiche angeordnet, deren Ergebnis, so Staatsanwalt Roland Geisseler, allerdings nicht vor Januar zu erwarten sei. Tatsache ist, daß der etwa 60jährige Detektiv seit einiger Zeit gesundheitlich schwer angeschlagen war. So mag die schweizerische Presse den Tod des Detektives zu Recht oder zu Unrecht als mysteriös bewerten, seine Aktivitäten zu Lebzeiten waren es allemal. Seit Frühsommer dieses Jahres recherchierte der Mann einen zweifellos höchst mysteriösen Fall: den Tod des skandalgestrauchelten früheren CDU- Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel. Der CDU-Politiker wurde am 11. Oktober 1987 tot in einer Badewanne des Genfer Hotels „Beau-Rivage“ aufgefunden. Seine Familie geht bis heute davon aus, daß Uwe Barschel ermordet worden ist. Sie beauftragte vor einigen Monaten den Genfer Privatdetektiv Jean-Jacques G. Mit neuen Nachforschungen. Erst vor knapp zehn Tagen soll der Detektiv einem Redakteur der Tribune de Geneve nach dessen Angaben mitgeteilt haben, er habe ein sehr wichtiges und für ihn persönlich gefährliches Detail über den Fall Barschel herausgefunden und müsse um sein Leben fürchten. Die von ihm verfolgte Spur könne zur Wahrheit über den Fall führen. In Zürich, so die Tribune de Geneve weiter, habe sich der Privatfahnder mit zwei Beamten des Bundeskriminalamtes aus Wiesbaden treffen wollen.
Das Treffen mit den BKA-Ermittlern, vorausgesetzt, es war tatsächlich ein solches geplant, könnte aber auch einen ganz anderen Hintergrund haben: Jean-Jacques G. fungierte in der Schweiz nämlich fünf Jahre lang als Statthalter des berüchtigten deutschen Privatagenten Werner Mauss, den eine deutsche Staatsanwaltschaft wegen unsauberer Methoden auf dem Kicker hat. Von Genf aus versuchte Werner Mauss, sich in nahöstliche Geiselaffären einzuschalten, etwa in die Verhandlungen um den im Januar 1987 in Beirut entführten Hoechst-Manager Rudolf Cordes und den Siemans-Ingenieur Alfred Schmidt. Im Auftrag von Mauss reiste Jean-Jacques G. damals nach Beirut. Werner Mauss selbst hielt sich zu jener Zeit häufig in Genf auf. Im Sommer und Herbst 1987 logierte er im Hotel „Beau Rivage“ unter dem Decknamen „Erich Fischer“ – bis ihn der Rummel um die in Zimmer 317 eben dieses Hotels aufgefundene Leiche Barschels überstürzt die Flucht ergreifen ließ. Seither forschten Journalisten und Rechercheure wiederholt nach Verbindungen zwischen Barschels Tod und den Aktivitäten des Werner Mauss. Stichhaltige Beweise gibt es dafür bisher nicht. Daß die Angehörigen des bis heute unter ungeklärten Umständen umgekommenen CDU-Politikers in Genf ausgerechnet einen ehemaligen Mauss-Mitarbeiter anheuerten – nur ein Zufall? Thomas Scheuer
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