Raserei im Quartett

■ Die Kammerphilharmonie mit ihrer „Großen Fuge“ in der Glocke / Hinterher Musik-Talk

In ihrem zweiten Konzert präsentiert sich die frisch zugewanderte Deutsche Kammerphilharmonie in der Glocke gleich eigenwillig mit einer Werkbearbeitung. Sie führt Beethovens Streichquartett op. 133, die „Große Fuge“, in großer Besetzung auf. Damit begibt sich das Orchester an eine musikstilistische Randzone: Zwischen sinfonischer und kammermusikalischer Aufführungspraxis hin- und herpendelnd, machen sie mit einem verbreiterten Streicherklang die Probe aufs Exempel, und auch noch ohne Dirigenten. Walter Levin, wenn auch nicht physisch präsent, hat aber vorher zusammen mit dem Orchester einen eigenen Zugang einstudiert. Das ist auch ohne sein Dirigat deutlich.

Allerdings hätte sich das Orchester dann auch eine radikalere, sinnlichere Inszenierung Beethovens leisten können. Eher brav und steril ist ein zerissenes Werk wie die „Große Fuge“ einfach vorbeigezogen, Spannungen der Komposition wurden nicht transportiert.

Ob die große Besetzung für das Werk und vor allem für die Hörer wirklich Sinn macht, konnte in einer Podiumsdiskussion nach dem Konzert mit Orchestermitgliedern, Kultursenatorin Helga Trüpel und Musikwissenschaftlerin Ute Schalz- Laurenze ausgiebig diskutiert werden. Da ging's doch tatsächlich im überfüllten Foyer und zu fortgeschrittener Stunde um Beethoven, dem das bekanntlich sehr recht gewesen wäre.

Ute Schalz-Laurenze jedenfalls hält Levins Bearbeitung für problematisch. Beethoven selbst bringt mit der „Großen Fuge“ die Gattung Streichquartett zur Explosion. Wer von da vornherein die Grenzen der Besetzung überdehnt, macht den Effekt zunichte. Dem mag man zustimmen oder nicht, die Bremer Hörer wollen jedenfalls die Auseinandersetzung mit der Arbeit ihres neuen Orchesters.

Doch so neu ist die Idee der großen Besetzung denn doch nicht: Ein Orchestermitglied erklärt, daß sich das Orchester ganz in die Tradition Gustav Mahlers stellen möchte, der zu seiner Zeit ebenfalls mit vergrößerten Streichergruppen gearbeitet hat. So musiziert die Kammerphilharmonie auch das Septett in Es-Dur in großer Besetzung. Offenbar eignen sich für diese Bearbeitungen gerade die Werke, die ohnehin gattungsgeschichtliche Grenzen markieren und Formen sprengen.

Schließlich ist ein Werk wie die „Große Fuge“ schon „unbehandelt“ ein sperriges Werk, in dem sich sonatenhafte und polyphone Strukturen mischen. Katrin Meyer