■ Art Cologne, etc.
: Progressive Händler

Fünfundzwanzig Jahre nach Gründung der Kunstmesse „Art Cologne“, damals vom „Verein progressiver Kunsthändler“ ins Leben geboxt, proklamieren die Organisatoren der „Unfair“ („wir jungen Galeristen“) mit einer Gegenmesse den Generationswechsel: Die einzig wirkungsvolle Kritik an der Welt größten Kunstmesse sei eine zweite. Die Gegenmesse setzt auf eine „Kunst- Avantgarde“ als „politische Stellungnahme“ und preist sich als die „wahre Kunstmesse“. Durch Rückgriff auf die totgeglaubten Begriffe „Avantgarde“ und „politisch“ soll das einstmals „Progressive“ wieder zum Vorschein kommen. Warum ausgerechnet eine Kunstmesse – also der institutionalisierte Zwang zum Geldverdienen wegen erhöhter Betriebskosten – dies leisten soll, bleibt ungeklärt.

So wie die Garagenfirma Apple den Weltkonzern IBM herausforderte und durch Konkurrenz das Geschäft belebte, erhält der routinierte Kölner Kunstmessenbetrieb mit der vergleichsweise ärmlichen „Unfair“ einen heilsamen Warnschuß. Ganz nach den Gesetzen des Marktes, rechneten die von der offiziellen Messe Ausgeschlossenen bei 500 Quadratmetern Ausstellungsfläche auf erhöhte Aufmerksamkeit, im Vergleich mit der 44mal größeren Art Cologne.

Die Gegen-Kunstmesse versteht sich als Ort für „neue Vermittlungswege in einem internationalen Kommunikationssystem“. Ihre Kompaktheit – 28 internationale Galerien drängeln sich in der ehemaligen Ehrenfelder Kranfabrik – führt zum wortwörtlich körperlichen Kontakt mit Kunst und Händlern, Neugierigen und professionellen Besuchern: Mit dem kunstmarktüblichen Eilschritt ist hier kein Durchkommen. Der Charakter des Improvisierten wird noch am letzten Ausstellungstag durch eifriges Sägen und Werkeln unterstrichen; gespeist wird in einer Werkskantine.

Wer in der Haupthalle das ganz andere sucht, wird nicht recht fündig. Doch die Art Cologne-Dissidenten luden zahlreiche „Projekte“ ein, wie Fanzines, Ladengalerien, Netzwerke und Büros, ihre in der Regel kollektive Arbeit am Rande vorzustellen. Nur wegen eines Mißgeschicks – die versprochene zusätzliche Halle für das Parallelprogramm stand plötzlich nicht mehr zur Verfügung – mußten die hastig zusammengetrommelten Projekte sich kurzfristig auf eine Handvoll leerstehende Ladenlokale in der Friesenstraße verteilen; in der Kranfabrik standen den Projekten zwei kleinere Informationräume kostenlos zur Verfügung – so war der Kontakt mit den potentiellen Gründern einer Gegen-Gegenmesse gewahrt.

Die Idee der seit einigen Jahren sprießenden Organisationsgruppen und Presseorganen, im gemeinsamen Raum neben der „Unfair“ erstmalig geballt zusammenzutreffen (sich strategisch zu verbünden, aber auch die Unterschiede der allein in ihrer ökonomischen Situation sich gleichenden Projekte herauszuarbeiten), wurde durch ihre Aufteilung auf fünf verschiedene Orte eingeschränkt. Trotz mancher organisatorischer Widrigkeit sammelte sich fernab der beiden (professionellen) Kunstmärkte das, was die „Unfair“ nur im Munde führte: „Neue Vermittlungswege“ durch ein informell sich knüpfendes „Kommunikationssystem“. Jochen Becker

Der Autor ist Mitorganisator zweier Projekte am Friesenwall, (Hausnummer) 120: „Papertiger“, bis zum 25.11; (Nr.) 130: „Copyshop“, bis zum 29.11.