Musik, Mensch und Maschine

■ Der Klangforscher Jean-Claude Risset gastierte beim Grenzwellen-Festival

gastierte beim Grenzwellen-Festival

Der Pianist Jean-Claude Risset braucht zwei Klavierhocker. Einen für sich - und einen für seinen Laptop. Manchmal drückt er beim Spielen statt der Tasten blitzschnell die Computermaus, und weiter geht's: Mensch und Maschine in bester Harmonie. „On the top of the computer music“, mit dieser Versicherung und unter dem Titel Real and Virtual hatten die Veranstalter des Grenzwellen-Festivals für Gegenwartsmusik in der Opera Stabile den Komponisten und Wissenschaftler Risset eingeladen, in Form von Vorführungen und Kommentaren in das geheimnisvolle Reich künstlicher Klänge und computergesteuerter Musik einzuführen.

Der 1938 geborene Musiker war vormals am IRCAM in Paris gewesen, dem wohl bekanntesten Forschungszentrum für elektronische Musik. Seine Kompositionen für Klavier und Software, als auch die Klangerzeugungen und -mischungen elektronischer Art ergänzen sich mit der Forschung über psychoakustische Fragen.

Risset stellte zwei unterschiedliche Arbeitsansätze vor. Die beiden Stücke „Songs“ und „Sud“ sind Montagen für 4-Kanal-Tonband in bester elektronischer Tradition. Diese Tradition entstammt den Experimenten der Musique concrete, die bereits Ende der vierziger Jahre Geräusche und Klänge sammelte, wie man sie konkret vorfand, um sie im Studio weiterzuverarbeiten.

Im Unterschied zu solchen natürlichen Klangerzeugnissen besteht elektronische Musik aus rein künstlichen Klängen, die Manipulationen unendlicher Variabilität zulassen. Während „Songs“ eine Kombination von instrumentalen Einzeltönen mit elektronischen darstellt, unternimmt „Sud“ den Versuch, zwischen konkreten und elektronischen zu vermitteln.

In quadrophoner Beschallung

1wurde man seltsam galaktischen Sphärenklängen ausgesetzt, die sich wie Spiralen dehnten und wieder schmolzen. Echoräume von bestechend durchsichtiger Dimensionalität wechselten mit obertonarmen Tönen von anhaltender Schwingungsweite und allmählich sich verschiebender Frequenz.

Der zweite Teil stellte den Pia-

1nisten und Softwarehersteller Risset vor. Das Prinzip ist einfach: der verkabelte Computer „weiß“ stets, was der Pianist spielt. Nach einer bestimmten Programmierung ist das Gerät gehalten, seinerseits Impulse an das Klavier zu geben, das

-motorisiert - die programmierte Reaktion in Töne umsetzt. Mensch und Maschine spielen „vierhändig“.

1Risset setzt viel knowhow in die Art von Komposition, die sehr komplizierte Relationen entwickeln kann. Doch bei aller (technischen) Faszination weiß man nicht so recht, was diese Virtuosenprothetik letztlich ästhetisch für einen Gewinn bringen soll. Sie bleibt: Minderheitenprogramm.

Stefan Rosinski