piwik no script img

„Ein echter Freund der Deutschen“

■ Deutschland–Österreich 0:0/ Blamable Nullnummer des Weltmeisters/ Toni Polsters Wurschtigkeit verhinderte Schlimmeres für die Gastgeber

Nürnberg (taz) – Die letzten drei Minuten wäre Bundestrainer Berti Vogts am liebsten unter die Bank gekrochen. Zweimal stand der abgehalfterte österreichische Torjäger Anton Polster allein fünf Meter vor dem deutschen Tor. Doch er erwies sich, wie Bundesberti nachher erleichtert feststellte, als „ein echter Freund der Deutschen“. Einmal schoß er knapp vorbei, dann verstolperte er den Ball. So blieb Vogts eine ähnliche Blamage erspart, wie er sie eigenfüßig bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Argentinien 1978 mit einem Eigentor zur 2:3-Niederlage gegen den kleinen Nachbarn Österreich eingeleitet hatte.

Weil die deutsche Mannschaft nur „irgendwo gefährlich“ (Österreichs Trainer Constantini) war und „jegliche Effektivität“ (Vogts) vermissen ließ, die Österreicher aber das Vermächtnis ihres kurz zuvor verstorbenen Trainers Ernst Happel („Seid's stolz und spielt's Hollywood mit den Deutschen“) nicht im entferntesten einlösen konnten, blieb den Zuschauern im ausverkauften Nürnberger Frankenstadion nur noch eines: pfeifen und „Aufhören, aufhören“ skandieren.

Dabei hatte Vogts vorher vielversprechend von einer „überraschenden mannschaftstaktischen Maßnahme“ gesprochen, mit der man das Austria-Team aus den Angeln heben wollte. Mit nur einem Manndecker (Kohler) wollte man spielen, die beiden Außenverteidiger (Reuter und Reinhardt) und Libero Buchwald sollten die nach vorne stoßenden Österreicher neutralisieren. Kohler deckte immerhin Mann, wie man es von ihm gewohnt ist: „Der tritt auf alles, was sich bewegt“, kommentierte treffend ein österreichischer Kollege. Aber Reuter und Reinhardt konnten getrost als Totalausfall gewertet werden. Häßler, Doll und Riedle zeichneten sich durch absolute Harmlosigkeit aus, Klinsmann mühte sich, stand aber auf verlorenem Posten, lediglich Helmer und der diesmal nicht ausgepfiffene Effenberg wußten zumindest ansatzweise zu überzeugen.

Am besten sah es noch in den ersten zwanzig Minuten aus. Doll, Klinsmann und Häßler zogen aufs österreichische Tor ab, Effenberg schlug kluge Pässe, manch einem deutschen Pärchen gelang gar der Doppelpaß, das Publikum frohlockte „Jetzt geht's los“, und der Herr über die Anzeigentafel gab aus Versehen den Zwischenstand „1:0“ für Deutschland ein. Psychologisch ein schwerer Fehler, denn ab diesem Zeitpunkt beherrschte Unvermögen das Spielfeld – auf beiden Seiten. Buchwald gelang ein prächtiger Luftschwinger mit hohem Bein, der Österreicher Ogris spielte unbedrängt einen herrlichen Hackentrick ins Seitenaus, Reinhardt sprang ein leichter Ball elegant über den Fuß.

In der zweiten Halbzeit wurde das Austria-Team mit Regisseur Andreas Herzog frecher. Ein strammer Schuß von Linksaußen Stöger fand drei Minuten nach Wiederanpfiff im Lokalmatador Andy Köpke seinen Meister, das gleiche versuchte in der 65. Minute Herzog. Ansonsten gähnende Langeweile und planloses Spiel. In der 73. Minute hatte der englische Schiedsrichter Worrall endlich ein Einsehen und gab dem Spiel mit zwei roten Karten wenigstens etwas Farbe. Der vier Minuten zuvor eingewechselte Ulf Kirsten hatte brutal gegen Austria-Keeper Konsel durchgezogen, worauf der bis dahin beste Österreicher, Peter Artner, den Leverkusener unsanft umstieß.

Nach dem Spiel geriet Vogts ins Philosophieren: „Manche Spieler haben Probleme mit sich, weil sie Probleme im Verein haben, und das ist ein Problem für mich.“ Klinsmann liebt es einfacher: „Als Stürmer sieht man bei einem 0:0 immer blöd aus.“ So ist es. Bernd Siegler

Österreich: Wohlfahrt (46. Konsel) - Zsak - Posch, Streiter (69. Polster) - Pfeifenberger, Stöger, Artner, Feiersinger, Schöttel (57. Kühlbauer) - Ogris, Herzog

Zuschauer: 48.000

Platzverweis: Kirsten (73. wegen groben Foulspiels), Artner (73. wegen Tätlichkeit)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen