Rumänien: Der Sieg des Populismus

■ Neue Regierung unter Nicolai Vacaroiu legt antireformistisches Programm vor

Nach einem mehrwöchigen Tauziehen hat Rumänien endlich eine neue Regierung. Bei einer gemeinsamen Sitzung der beiden Parlamentskammern stimmten 260 Senatoren und Abgeordnete für das von dem parteilosen Fachmann Nicolai Vacaroiu vorgestellte Kabinett, 203 der insgesamt 481 Parlamentsabgeordneten votierten gegen ihn.

Ob die Regierung ihr Programm jedoch umsetzen kann, scheint bisher mehr als fraglich: Der Vorschlag von Präsident Iliescu, eine nationale Einheitsregierung, in der auch die Opposition vertreten sein soll, zu bilden, fand unter den Parlamentsparteien kein positives Echo.

Bekanntlich war aus den rumänischen Parlamentswahlen vom 27.September die antireformistische „Demokratische Front zur Nationalen Rettung“ siegreich hervorgegangen, die ihrerseits von mehreren nationalradikalen Parteien, der neofaschistischen „Partei Groß-Rumänien“, der Nachfolge-KP der „Sozialistischen Partei der Arbeit“, der „Demokratischen Agrarierpartei“ und der ultranationalistischen „Nationalen Einheitspartei der Rumänen“ unterstützt wird. Diese Parteien haben im Parlament mit 255 Sitzen die absolute Mehrheit, verfügen jedoch nicht über eine Zweidrittelmehrheit, um wichtige Entscheidungen durchzusetzen. Nur mit den Stimmen des oppositionellen „Demokratischen Konvents“ wäre das Parlament und damit auch die nun zum Großteil aus Anhängern der „Demokratischen Front zur Nationalen Rettung“ gebildete Regierung handlungsfähig gewesen.

Der neue Premier, der bereits im Wirtschaftsministerium der 1991 von Iliescu zum Rücktritt gezwungenen Roman-Regierung tätig war und wegen seiner reformfeindlichen Haltung seines Postens enthoben worden war, trat in seinem Regierungsprogramm nun für die Beibehaltung der unproduktiven Kolosse der stalinistischen Schwerindustrie ein. Gleichzeitig beschuldigte er die vorhergehenden Regierungen von Petre Roman und Theodor Stolojan, die ein Dorn im Auge des antireformistischen Präsidenten Iliescu waren, durch ihre marktwirtschaftlichen Reformen zirka eine Million Arbeitnehmer um ihre Arbeitsplätze gebracht zu haben. Das Programm bezieht sich jedoch lediglich auf die „strategischen Ziele“ für den bevorstehenden Winter, der den Rumänen neue Entbehrungen bescheren wird. Vacaroiu kündigte an, daß sofort Getreide und Treibstoff im Wert von 160 Millionen Dollar gekauft werden müsse. Um die Landwirtschaft anzukurbeln, versprach er den Bauern niedrige Kredite, ohne zu sagen, woher die dazu benötigten Mittel genommen werden sollen. Dem Staat ordnete er die Rolle eines „Käufers und Marktkonkurrenten“ zu. Die Reintegration der Arbeitslosen, das angestrebte „Gleichgewicht zwischen Preisen und Gehältern“, die soziale Absicherung, von der der Premier sprach, erinnerten eher an verbale Floskeln als an ernstzunehmende Vorhaben. Bezeichnenderweise fehlte auf der Präsentierung Vacaroius jeglicher Hinweis auf das gesetzlich noch immer nicht geregelte Privateigentum. Der Parlamentsabgeordnete der armenischen Minderheit, Varujan Vosganian, bezeichnete die „Skizze des Vacaroiu-Programms“ in einem BBC-Interview als undemokratisch, nicht nur weil darin jeder Hinweis auf die Eigentumsfrage fehlt, sondern auch, weil die fundamentalen Menschen- und Minderheitenrechte unerwähnt blieben.

Einstimmig begrüßt wurden die Vorstellungen dagegen von den extremistischen Parteien. Der groß-rumänische Senator Corneliu Vadim Tudor, der seit der Wende für die Freilassung der verhafteten Politgrößen des alten Regimes plädiert, bezeichnete im Parlament Ceausescu als einen Gott und war vollkommen mit den neoetatistischen und paternalistischen Vorschlägen Vacaroius einverstanden. William Totok