ZEN — oder die Kunst des entspannten Einkaufs

■ Meditatives Geschenkeshopping / Kurse bald auch in Old-Germany

„Früher, da bin ich vier Wochen vor Weihnachten wie ein Verrückter durch die Einkaufscenter gerast.“ Bert, Ende dreißig und Versicherungsvertreter, bekommt schon von der Erinnerung hektische Flecken. „Aber das ist lange her. Seit ich den Kurs absolviert habe, geht alles wie von selbst.“

Der Kurs, das ist ein Angebot, das zum erstenmal im vergangenen Sommer in New York aufgetaucht ist: „Einkaufsstreß zu Weihnachten? Unsere Antwort: Meditation Shopping. 2-Wochen- Intensivkurs für 400 Dollar. Und sie werden das ganz andere Weihnachten erleben.“ Der Andrang war so groß, daß die Shopping- Schools in diesem Jahr wie Pilze aus dem Boden schossen. Und die Meditation Shopping Association (MSA), der größte Anbieter mit dem Sitz direkt neben dem Einkaufsparadies Macy's in der New Yorker City, will im kommenden Jahr den Sprung über den großen Teich wagen.

Der Markt ist gewaltig: Wer wüßte nicht zu berichten von verstopften Straßen und hektischem Gehupe vor den hoffnungslos überfüllten Parkhäusern, von endlosen Schlangen vor den Kassen der Kaufhäuser, vom Gerangel und Gekreische in den Spielwarenabteilungen dieser Welt. „Ach“, sagt Lisa, Hausfrau aus Santa Barbara, „was hab ich mich immer abgequält, bis ich all die vielen Geschenke zusammenhatte. Zu Weihnachten merkt man erstmal, wie groß die Familie ist. Aber jetzt mit den zehn goldenen Regeln ist Schluß mit dem Streß.“

Die zehn Regeln, „das ist es, was unsere Teilnehmer aus den Kursen mitnehmen“, sagt Buck S. Lemberger, MSA-Gründer und Verhaltenspsychologe am Institut für angewandte Psychologie in San Francisco. Vierzehn Tage lang werden die Teilnehmer unter der Sonne Kaliforniens auf den Weihnachtsrummel vorbereitet. Nach zwei Tagen autogenem Trainings folgt der Hauptteil: Verhaltenstraining. Jeden Tag werden zwei Regeln im Rollenspiel realitätsnah einstudiert und verinnerlicht. „Und an den letzten beiden Tagen geht es hinaus ins feindliche Leben“, sagt Lemberger. Wie simuliert man bloß mitten im Sommer den Weihnachtseinkauf? Lemberger: „Wir gehen mit der Gruppe in die Touristenzentren.“

Danach sind die TeilnehmerInnen, im übrigen zu mehr als achtzig Prozent Frauen, gestählt für das X-mas Shopping. Und die Kurse setzen schon zuhause an. Regel eins: „Setze Dich ruhig hin, bevor Du losfahren willst. Konzentriere Dich auf Deine Mitte. Dann nimm ein weißes Blatt.“ Die meisten würden erwarten, daß sie jetzt aufschreiben sollen, was sie wem schenken und was sie erledigen wollen, erzählt Lemberger. Doch im Gegenteil. Das Trainingsprogramm rät: „Denk an den Begriff Weihnachten. Und dann schreib alles auf, was Dir in den Sinn kommt.“ Manchmal reiche schon fast diese Regel, meint Lemberger: „Was da an Haß, Ekel und bedrückenden Kindheitserinnerungen rauskommt, das wundert die meisten doch sehr. Aber danach haben sie den Kopf frei und können all die warmen Gefühle überhaupt zulassen, die wir mit Weihnachten verbinden.“ Und wenn sie alle zehn Regeln befolgten, „dann schweben unsere Teilnehmer förmlich durch den Supermarkt.“

Keine Aktion ohne Protest: Kaum wurden die Kurse bekannter, wurde auch schon Protest angemeldet. Alina Sonderborg, Aktivistin der Ökobewegung in Massachussettes: „Es ist schon schlimm genug, was wir mit dem Konsumrummel in der Natur anrichten. Jetzt werden auch noch die Menschen für den Einkaufsterror zugerichtet.“ Im Herbst dieses Jahren gründete sie sie No Shopping Initiative (NSI). Doch die Teilnehmer an den MSA-Kursen verunsichert das nicht. Der Versicherungskaufmann Bert spricht sicherlich für viele, wenn er sagt: „Mir geht es seitdem so gut. Ich habe gelernt, daß Einkaufen Spaß machen kann.“ lna