Die Notbremse der Hardliner

■ Kriegsbeute „Bremer Kunstschatz“ wird in Petersburg hergezeigt, aber nicht hergegeben

„Westeuropäische Zeichnungen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert aus der Sammlung der Bremer Kunsthalle“ — so heißt die Petersburger Präsentation von 161 Zeichnungen, die nach Kriegsende 50 Jahre lang verschwunden waren. Werke von Dürer (allein 28 Blätter), Rembrandt, Van Gogh u.a. sind hier zu sehen. Eine Bremer Delegation aus Bürgermeister, Kultursenatorin und Kunsthallenchef war diese Woche bei der Eröffnung in der Eremitage zugegen. Es gibt offenbar allen Grund für die Hoffnung, daß die Bilder im Laufe der beiden nächsten Jahre in die Kunsthalle zurückkehren.

Vor gur zwei Jahren allerdings war die Stimmung noch besser. Damals hatte sich Viktor Baldin, ein russischer Offizier, der ausgelagerten Bremer „Kunstschatz“ entdeckt und mitgenommen hatte, der Öffentlichkeit gestellt. 50 Jahre lang hatte er die Bilder in einem Kloster verborgen - und das war ein Staatsgeheimnis wie alle anderen Depots mit Kriegsbeute. Nun aber wollte er sie, wie er damals im russischen Fernsehen sagte, zurückgeben.

Die Diskussion in Rußland lief freilich in eine für Bremen unerfreuliche Richtung: Man entsann sich eigener Verluste, erinnerte sich, daß die deutschen Soldaten auch viel weggeschleppt hatten und daß zahlreiche Paläste und Kirche zerstört wurden, z.B. die Fresken in Nowgorod, die Zarenpaläste in Pawlowsk, Puschkin und Peterhof. Womöglich spielt auch das zunehmende Elend im Land eine Rolle: keine Zeit für Großzügigkeiten. Ohne Gegenleistung, so wurde bald klar, würde kein Bild Rußland verlassen.

Jetzt wird geschachert. Die Verhandlungen werden zusätzlich dadurch erschwert, daß die Zuständigkeiten in Rußland unklar sind; auch ist der Arm des Staates nicht mehr allmächtig. Der russische Kulturminister Sidorow wäre offenbar bereit zu moderaten Vertragsbedingungen. Den Daumen auf diverse Depots halten aber Hardliner, die die zu ersetzenden russischen Kulturgut-Verluste mit gigantischen Milliardenbeträgen beziffern. Und: die Verhandlungen um den Kunsthallenschatz haben Stellvertretercharakter für kommende Verhandlungen mit Berliner, Dresdener, Stettiner, ungarischen Museen...

Tatsächlich streitet man sich auch hier um einen Artikel 16. Der deutsch-sowjetische Generalvertrag von 1990 (von Kohl und Jelzin 1991 bekräftigt und unterzeichnet) beschließt die Rückgabe „verschollener oder unrechtmäßig verbrachter Kunstschätze“, ohne Wenn und Aber. Nun lassen sich die Probleme juristisch am wenigsten lösen: souveräne Staaten sind nicht zu verklagen, und Einzelpersonen können auf Verjährung pochen.

Es komme nicht auf einen Rechtsprozeß an, sagte der studierte Jurist Sidorow in einem Zeit-Interview, sondern auf einen politischen Prozeß. Der ist, betrachtet man die innenpolitische Lage Rußlands, so lebhaft im Gange, daß die Zukunft der „Sammlung Baldin“ noch lange nicht gewiß ist. Bus