Teilung beschleunigt

■ Volksentscheid in der Slowakei

Berlin (taz) – Die führenden Politiker der nationalistischen „Bürgerlich-demokratischen Allianz“ (ODA) hatten es in den vergangenen Wochen wiederholt angekündigt, am letzten Donnerstag war es nun soweit: Um die Teilung der ČSFR nicht noch weiter zu „verzögern“, verabschiedete das tschechische Parlament mit den Stimmen der Abgeordneten der Regierungsparteien eine Resolution, die ihm die „volle Verantwortung für die Belange der tschechischen Republik“ überträgt. Obwohl die Regierung betonte, daß sie keine Souveränitätserklärung nach slowakischem Vorbild anstrebe, bedeutet die Proklamation dennoch den ersten Schritt auf dem Weg in die Unabhänigkeit der tschechischen Teilrepublik. Auch ohne ein von der Föderalregierung beschlossenes „Trennungsgesetz“ wird sie sich am 1. Januar 1993 für selbsständig erklären.

Einen Strich durch die politische Rechnung machten die konservativen Parteien damit auch der linken Opposition. Diese hatte damit gerechnet, in der Föderalversammlung durchsetzen zu können, daß über die Auflösung der ČSFR in einer Volksabstimmung entschieden wird. Aus Protest gegen das Vorgehen der Regierung verließen die vier Fraktionen nahezu geschlossen den Sitzungssaal.

Ein Referendum über die Zukunft der tschecho-slowakischen Beziehungen wird es dagegen in der Slowakei geben. Wie das Parlament in Bratislava am Donnerstag beschloß, sollen die Bürger am 19.Dezember über rund 30 Verträge abstimmen, die die wirtschaftliche, militärische und zivile Zusammenarbeit der beiden Nachfolgestaaten regelt. Als Referendum über die Spaltungspolitik der slowakischen Regierung kann freilich auch diese Abstimmung kaum betrachtet werden. Ein Bürger, der die Spaltung ablehnt, wird schließlich kaum gegen Verträge, die die Zusammenarbeit mit Prag regeln, stimmen. her

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