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Marokko schützt Europas Südküste

König Hassan verspricht Spanien „energisches Eingreifen“/ Boat people sollen nicht mehr in die Meerenge gelangen/ Spekulationen über Gegenleistung an Regime in Rabat  ■ Aus Algeciras Antje Bauer

„Normalerweise würden wir an so einem Tag wie heute nicht eines, sondern gleich mehrere Boote hier anlanden sehen.“ Der Zivilgardist läßt den Fernstecher sinken, mit dem er die Meerenge in Richtung Marokko abgesucht hatte. „Aber seit ein paar Wochen kommt gar nichts mehr an.“ Das „schwere Problem“ der Boat people in der Meerenge von Gibraltar sei nun dank des energischen Eingreifens von König Hassan gelöst, erklärte der spanische Innenminister Jose Luis Corcuera hocherfreut am Dienstag während eines Blitzbesuchs in Rabat.

Jahrelang sind in klaren, windstillen Nächten junge Marokkaner und Schwarzafrikaner in völlig überladenen kleinen Motorbooten von Marokko in Richtung andalusische Küste losgetuckert: ein paar Stunden Fahrt bis zum Südrand des Eldorado Europa. Doch seit fünf Wochen patrouilliert die Guardia Civil umsonst: Kein Boot bringt mehr neue Immigranten aus Afrika.

Bereits im Frühjahr war zwischen Spanien und Marokko ein Abkommen unterzeichnet worden, in dem sich das Maghrebland verpflichtete, seine Grenzen besser zu bewachen und alle diejenigen Flüchtlinge zurückzunehmen, die nachweislich von Marokko aus illegal nach Spanien eingereist sind. Erst im Oktober wurde das Abkommen wirksam – auf Druck der EG, wie es in Spanien vage heißt. Seither kontrolliert die marokkanische Küstenwacht die Hoheitsgewässer, Polizeirazzien in den allgemein bekannten Auslaufpunkten der Boote haben dem Schleppergeschäft ein Ende gemacht. Unterstützt wird der marokkanische Eifer durch Helikopter und sechs Schnellboote der spanischen Guardia Civil, die seit dem Ende der Olympiade für die Bewachung der europäischen Südfront zur Verfügung stehen. Was Marokko im Gegenzug für die wenig profitable Zurückhaltung der immigrationswilligen arbeitslosen Jugendlichen geboten wurde, ist nicht zu erfahren. Immerhin verabschiedete das Europäische Parlament Ende Oktober das „Protokoll über technische und finanzielle Zusammenarbeit“ zwischen Marokko und der EG, das eine Finanzhilfe für Marokko in Höhe von 463 Millionen ECU (rund 900 Millionen DM) vorsieht. Im Januar noch war die Ratifizierung an den Menschenrechtsverletzungen in Marokko gescheitert, woraufhin König Hassan empört das Fischereiabkommen aufgekündigt hatte.

Zehn Tage nach Gemeindewahlen, die von der marokkanischen Opposition als massiv gefälscht bezeichnet wurden, und in einer Situation andauernder Unklarheit über die Zukunft der Volksabstimmung in West-Sahara schien das Europäische Parlament Ende Oktober keine nennenswerten Zweifel mehr an der inneren Demokratie Marokkos zu hegen.

Daß die Einwanderung von arbeitsuchenden Menschen nach Europa auf Dauer gestoppt werden kann, wird – trotz des Optimismus des Innenministers – andernorts bezweifelt. Wenn der Weg nach Südspanien versperrt sei, würden die Boote langfristig andere Wege suchen, etwa über die portugiesischen Gewässer, vermutet Oberstleutnant Jorge Ortiz, Chef der Guardia Civil in Algeciras. Und solange Arbeitslosigkeit und Elend, die Gründe für die Immigration, nicht beseitigt würden, nehme die Flucht in Richtung Norden ohnehin zu. Zumindest in den kommenden Wintermonaten jedoch wird die Guardia Civil sicher umsonst mit Fernstechern die Meeresenge von Gibraltar absuchen.

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