Leukämie: Acht neue Fälle

Noch mehr Blutkrebs in der  ■ Nähe norddeutscher Atommeiler

Die Liste der Blutkrebs-Fälle in der Nähe der norddeutschen Atomkraftwerke wird immer länger. Karsten Hinrichsen, Kreistagsabgeordneter der Grünen in Brokdorf, erfuhr jetzt von acht bisher unbekannten Leukämie-Fällen im Kreis Steinburg. „Erkrankungen, von denen ich nur durch Zufall erfahren habe“, sagt Hinrichsen. Diese seien „mit Sicherheit nur die Spitze des Eisbergs“.

Allein in Glücksstadt und Umgebung erkrankten seit den siebziger Jahren mindestens sechs Menschen an Blutkrebs. Zwei Fälle waren den Kieler Behörden bekannt. Von den anderen vier Betroffenen starben inzwischen zwei: Ein Dreijähriger bereits vor über zehn-, eine 26jährige Frau vor zwei Jahren.

Auch in Wewelsfleth — hier wußte das Kieler Energieministerium bereits von zwei Blutkrebs- Fällen — gab es zwei bisher unbekannte Leukämie-Opfer: 1981 verstarb hier ein 23-jähriger Mann, fünf Jahre zuvor bereits ein sechsjähriger Junge. Hinrichsen: „Damit liegt die Leukämie-Rate in diesem Gebiet 40 mal höher als im Bundesdurchschnitt“.

Zwei weitere Opfer der Krankheit ermittelte Hinrichsen in Itzehoe. Auch sie starben im Kindesalter von zwei und elf Jahren. Ob die Erkrankungen durch die Strahlung der benachbarten Atomreaktoren ausgelöst wurden, ist weiterhin unklar. „Einzig das Atomkraftwerk Brokdorf kommt nicht als Verursacher in Frage“, weiß Hinrichsen. Es wurde erst 1986 in Betrieb genommen. Anders die Atommeiler in Stade und Brunsbüttel: Sie starteten bereits 1972 und 1976.

Um die Ursachen für die häufigen Blutkrebs-Erkrankungen aufzuklären, fordert der grüne Abgeordnete eine Leukämie-Untersuchungskommision für den Kreis Steinburg und ein zentrales Krebsregister für ganz Schleswig-Holstein. Während das Kieler Energieministerium „jeden Fall genau prüfen“ will, forderte die Kreispräsidentin von Steinburg die Bewohner auf, jeden Leukämie-Fall den zuständigen Gesundheitsämtern zu melden. Marco Carini