SPD dreht den Geldhahn auf

■ Regierungsfraktion verabschiedet Stadthaushalt 1993 / Extras gegen Wohnungsnot, Sozialprobleme und ABM-Kahlschlag

/ Extras gegen Wohnungsnot, Sozialprobleme und ABM-Kahlschlag

Zig ABM-Projekte können aufatmen (sie werden gerettet), Falschparker werden aufstöhnen (es gibt 40 zusätzliche Knöllchenspender), die Stadtentwicklungsbehörde frohlockt (sie bekommt drei zusätzliche Stellen) — die SPD-Fraktion schlug am Wochenende auf ihrer Klausurtagung über den Haushalt fürs kommende Jahr kräftig zu.

Es war mal wieder ein ganz schön hartes Stück Arbeit. Zwei

1Tage und zwei halbe Nächte zwang SPD-Fraktionschef Günter Elste seine 60 Schäfchen von der SPD- Bürgerschaftsfraktion zum Geldausgeben. Am Sonntag morgen war es endlich geschafft. Die SPD-Fraktion gab auf ihrer Tagung dem Senat für den 16,7 Milliarden-Haushaltsetat 1993 Grünes Licht. Den hatte Elstes Ghostwriter bereits in einem Anfall von Dichtkunst gar als „in Zahlen geronnenen Ausdruck der

1sozialen Großstadtstrategie für Hamburg“ abgefeiert.

Zum bloßen Bewundern des Senats hätte selbst Günter Elste keine zwei Tage benötigt. Die wurden für die sachgerechte Verwendung des sogenannten „Spielgeldes“ benötigt. Zu den Ritualen der Hamburger Haushaltspolitik gehört es nämlich, daß die Regierungsfraktion bei der internen Absegnung des Senatshaushaltes auch ein bißchen Geld zur freien Verwendung hat — das Spielgeld eben. Unter dem früheren Fraktionschef Henning Voscherau durften meist nur zwei bis drei Millionen ausgegeben werden. Der tüchtige Elste hat die Marge jedoch auf mittlerweile 20 Millionen Mark hochgeschraubt. Immerhin ganze 1,2 Promille des Hamburger Haushalts. Aber nicht nur das: In einem seltenen Anflug von Selbstbewußtsein verweigerte die Fraktion ihrer Regierung an diesem Wochenende sogar die Einführung der Pornosteuer.

Bei den 20 Millionen mußte die Fraktion echt ranklotzen. Fraktionsvize Jan Ehlers: „Die Zeit der Millionenbeschlüsse ist vorbei.“ In der Tat, diesmal geriet es, wie Elste selbstironisch frotzelte, zur echten „Nullen-Dreherei“. Tausendmarkschein um Tausendmarkschein wurde sorgsam umgedreht und abgestimmt: Projekte und

1Kleinmaßnahmen in den Bereichen Wohnungsnot, Soziale Brennpunkte und Arbeitsbeschaffung wurden initiiert, gerettet und verlängert (siehe Kasten).

Ganz wohl war den 61 freilich dennoch nicht. Das ganze Haushalts-Zahlenwerk, so wissen sie, steht auf wackeligen Füßen. Der Marsch in die Rezession wird 1993

1für Steuerausfälle von mehreren 100 Millionen Mark sorgen. Offiziell wird dieses Desaster allerdings erst im Mai, wenn der Arbeitskreis Steuerschätzung seine neuen Zahlen veröffentlicht. Sonnenkind Günter Elste läßt sich dadurch nicht schon heute die Laune verderben: „Das gucken wir uns dann im Mai an.“ Florian Marten