■ Scheibengericht
: Neneh Cherry "Homebrew"

(Virgin)

Neneh Cherry singt, Neneh Cherry rapt. Rob Birch von den Stereo MC's singt, Rob Birch rapt. Merkwürdig, daß die Presse so unterschiedlich darauf reagiert. Sie feiert bei Rob Birch als eine Art Kulturrevolution, was bei Neneh Cherry seit eh und je der Fall ist: daß er singt und rapt. Daß er nicht besonders gut singt spielt dabei offensichtlich keine Rolle – tatsächlich ist seine Stimme ziemlich uncharakteristisch, sie hat nicht den Wiedererkennungswert, der für Popsänger an sich vonnöten ist. Wichtig ist eben, daß Rob Birch als MC singt, während Neneh Cherry nur als Sängerin rapt.

Interessanter als der stimmliche Crossover ist auf der Platte der Stereo MC's die musikalische Mischung der Techniken: HipHop mit Samples und Computeranimation und echten Backgroundsängerinnen und echtem Schlagzeug (auch da sind die Stereo MC's allerdings nicht die einzigen). Das erlaubt eine reichere innere Differenzierung und feinere rhythmische Akzentuierung als bei einer nur synthetischen Musik und ist zum Tanzen darum schöner – es sei denn, man zieht wirklich den absolut künstlichen und anonymen Rausch vor. Den aufregendsten Moment hat die Platte im Stück „Creation“, wo nach vier Minuten ein neues Klaviersample einsetzt und dann das Schlagzeug mit einer Art Jazzbreak emphatisch „echt“ hinzukommt. Leider ist das Stück dann gleich zuende.

Neneh Cherry kann besser singen und rappen als Rob Birch. In Gesangszeilen setzt sie Doppelpunkte, um dann im Rap Klartext zu reden, oder sie faßt umgekehrt in einer Gesangszeile zusammen, was sie im Rap auseinandergesetzt hat. Sie kann andante rappen, langsamer als De La Soul und prestissimo, und sie kann mit sich im Chor singen wie Prince oder Michael Jackson, inklusive virtuoser kleiner Gimmicks – und braucht schon deshalb keine Backgroundsänger. Eigentlich kann sie alles, sie beherrscht die Popmusik.

Nur hat sie sich leider entschlossen, kein Superstar werden zu wollen, obwohl es alle von ihr erwarteten. „Money talks but love is for real“, rechtfertigt sie sich stattdessen auf „Homebrew“. Sie zog sich nach Schweden zurück, ernährte sich und ihre Familie gesund und weckte in einem Heimstudio ihre neuen Lieder ein. Drei Jahre hat sie gebraucht, bis nach „Raw like Sushi“ diese neue Platte kam. Zwar zeigt sie auch hier alles, was sie kann, aber „Homebrew“ hat nicht die Ambition, ein großer Hit zu werden. Die Musik hat eher einen skizzenhaften, privaten, manchmal etwas handgestrickten Charakter. Kein Stück erreicht das einsame Niveau von „I've Got You under my Skin“, das sie für den Aids-Benefiz-Sampler „Red, Hot & Blue“ einspielte. Hauptsache, sie ist gesund.