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■ SchreibengerichtGaetano Donizetti "Lucia di Lammermoor"

Edita Gruberova, Neil Shicoff u.a., The Ambrosian Singers, London Symphony Orchestra, Richard Bonynge (Teldec/East West)

Die Aufnahme ist zu begrüßen – auch wenn sie nicht gerade eine Repertoire-Lücke schließt. Aber Edita Gruberova singt darin, und eigentlich ist jede Aufnhame zu begrüßen, in der Edita Gruberova singt. Vielen Kritikern gilt sie ja als kalte, ausdruckslose Technikerin. Das ist nicht wahr! In der vor zwei Jahren erschienenen Aufnahme von „Hoffmanns Erzählungen“ mit Seiji Ozawa und Placido Domingo – wo sie wahrlich das einzige Kaufargument darstellte – sang sie nicht nur eine mechanisch-virtuose Puppe Olympia, die einem allerdings Mark und Bein gefrieren ließ, sondern auch eine rührende Antonia und eine leidenschaftliche Giulietta. Daß eine Sängerin perfekt ist – eine recht seltene Qualifikation –, sollte man ihr nicht zum Vorwurf machen.

Edita Gruberova kann etwas, was ich in Opernaufnahmen der letzten Jahre bei keiner anderen Sängerin (und bei Sängern erst recht nicht) gehört habe: das hohe C leise ansetzen, es aufleuchten lassen, ohne daß es „ausschlägt“ und dann ausdünnen, bis es nur noch an einem seidenen Faden hängt – und es dann noch halten. Sie ist wunderbar geläufig, bei schnellen Läufen wird jeder Ton einzeln angesetzt, und Triller sind Wechsel zwischen zwei distinkten Noten, keine aus dem Lot geratenen Tremoli. Das alles macht sie zur idealen Besetzung für die Rolle der Lucia di Lammermoor.

Ein Vergleich läßt sich ihr dennoch nicht ersparen: Fürchterlicherweise gibt es von „Lucia“ eine Aufnahme, die geeignet ist, alle nachfolgenden Dirigenten und Sängerinnen zu entmutigen – die von Walter Legge aufgezeichnete Einspielung mit Maria Callas unter Tullio Serafin von 1953, eine der berühmtesten Schallplatten der Geschichte.

Gruberova ist besser. Ihre Wahnsinnsszene ist, mit einer kleinen Ausnahme, absolut makellos, und diese Perfektion hat dramaturgisch Sinn: Sie ist der Wahnsinn. Gruberovas Lucia ist nicht mehr von dieser Welt, sie ist durchsichtig, gläsern, ein verzücktes Gespenst, ein körperloses Tirilieren. Die Kadenz mit der Flöte, die dem abschließenden übermenschlich hohen Es vorangeht: unheimlich wie das Nordlicht über der schottischen Hochebene.

Maria Callas hat dagegen kleine technische Probleme – ein Lauf ist nicht vollkommen akkurat, ein Spitzenton muß mit etwas Hall zurückgelegt werden, weil sie ausbricht, bei einem anderen versagt ihre Stimme im Ansatz, als sei sie heiser. Und doch! „Alfin son tua“ (endlich bin ich dein) – damit beginnt die eigentliche Arie – singt Maria Callas in einem derartigen Brustton der Überzeugung, mit solch ehrfurchtgebietender Autorität, daß sich der einsame Hörer umschaut, in der Angst, er könnte gemeint sein. In der Kadenz konzertiert kein Gepenst mit einer Flöte, sondern eine wirkliche Frau „spricht“ mit ihrem halluzinierten Geliebten, umschlingt ihn, fordernd und wild entschlossen. Das ist es wohl: Edita Gruberova ist besser, aber Maria Callas ist wirklich – da verblaßt jedes Gespenst, das beste Bessersein hilft da leider gar nichts. Tragisch.

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