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Ein Tresorfilm hat Ausgang

■ Für eine einzige Vorführung heute abend ist der verbotene kubanische Film "Alicia im Dorf der Wunder" freigegeben worden / Diskussion mit Regisseur Diaz

Berlin. Eine Kopie des Films liegt, fertig mit deutschen Untertiteln, seit anderthalb Jahren in den Regalen der „Freunde der Deutschen Kinemathek e.V.“ – zeigen durften sie ihn bislang jedoch nicht: „Alicia im Dorf der Wunder“ (Alicia en el Pueblo de Maravillas), die beißend-absurde Filmsatire des kubanischen Regisseurs Daniel Diaz Torres, ist nicht nur auf der sozialistischen Karibikinsel ein verbotener „Tresorfilm“, sondern auch für Vorführungen außerhalb Kubas gesperrt. Wenn der Film heute abend dennoch im „Arsenal“ zu sehen sein wird, dann ist dies eine kleine Sensation: „Alicia“ hat für einen Tag Ausgang gewährt bekommen, dank zähen Verhandlungsgeschicks und fern vom kubanischen Publikum, ihrem eigentlichen Adressaten.

In Berlin hatte bei den Filmfestspielen im vergangenen Jahr auch die Welturaufführung von „Alicia“ stattgefunden, der mit aggressivem Witz erzählten Geschichte einer Theater-Beraterin, die in das Provinzdorf Maravillas geschickt wird und dort ein bizarr-alptraumhaftes Sanatorium vorfindet. Die zu Kurierenden sind sogenannte „Destronados“, aus ihren Ämtern entlassene Personen – und „der Konflikt von Alicia ist, ob sie wirklich aus eigenem Willen oder ob auch sie wegen Verfehlungen dort ist“, erklärt die Alicia-Schauspielerin Thais Valdés ihre Rolle.

Erst die große internationale Resonanz machte möglich, daß der Film danach auch in Havanna gezeigt wurde – unter starker Polizeibewachung, mit wüsten Verrissen in der Parteipresse und stehenden Ovationen des Publikums, abgesetzt nach vier Tagen auf „Beschluß auf höchster Ebene“. Der Leiter des Filminstituts, Julio Garcia Espinosa, der den Film nicht verhindert hatte, wurde geschaßt, und „Alicia“ blieb unter Verschluß. Wenn der Film nun zum erstenmal wieder in Europa gezeigt werden darf, dann ist zwar ein „Durchbruch gelungen“, wie Peter B. Schumann sagt, der die Verhandlungen mit dem kubanischen Filminstitut geführt hatte. Doch die Hoffnung, daß dies zu einer Lockerung in Kuba selbst führen und „Alicia“ auch dort zu sehen sein wird, verbindet er damit nicht: „Es ist eine Geste nach außen.“

Die Bedingung, die Havanna für diese Geste stellt: Damit „Alicia“ nicht als „antikubanische Manifestation mißbraucht“ wird, darf der Film nur mit anschließender Diskussion mit dem Regisseur Daniel Diaz Torres selbst gezeigt werden – eine kostspielige Angelegenheit für die Organisatoren, die das Flugticket zahlen, und nicht die unbeschwerteste aller Gesprächssituationen für den Regisseur. An dem Schriftsteller Jesús Diaz, der die Endfassung des Drehbuchs für „Alicia“ schrieb, hat die kubanische Führung erst vor wenigen Monaten ein Exempel statuiert: Weil kritische Äußerungen von ihm das Maß der im Ausland tolerierten Kritik überschritten, wurde er aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen und in einem obskuren Drohbrief des kubanischen Kulturministers als „Verräter“ und „Judas“ gebrandmarkt, der „noch weniger Gnade verdient“ habe als eine Gruppe unlängst zum Tode verurteilter Konterrevolutionäre. Ein martialisch-metaphorisches Todesurteil, das für Jesús Diaz, der zur Zeit an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin lehrt, aus seinem vorübergehenden Aufenthalt als DAAD-Stipendiat Berlin zum Ort des erzwungenen Exils gemacht hat. Bert Hoffmann

Nur heute (geändert!!), 22.15 Uhr im „Arsenal“, Welserstraße 25; davor um 20 Uhr der sehr sehenswerte Film „Der Tod eines Bürokraten“ von Tomás Gutiérrez Alea, Kuba 1966

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