: Mordbrenner in Mölln
■ Nach nächtlicher Brandstiftung sterben drei Türkinnen/ Bekenneranruf: „Heil Hitler“
Berlin (dpa/AP/taz) – Zwei türkische Frauen und ein zehnjähriges türkisches Mädchen sind in der Nacht von Sonntag auf Montag bei einem Brandanschlag ermordet worden.
Nach Informationen der taz hielt sich eine der beiden Frauen lediglich zu einem Verwandtenbesuch in Deutschland auf. Vermutlich Neonazis setzten in der schleswig-holsteinischen Stadt Mölln zwei Mehrfamilienhäuser in Brand, die ausschließlich von türkischen Familien bewohnt wurden. In einem Abstand von 40 Minuten erhielten erst die Polizei und dann die Freiwillige Feuerwehr einen anonymen Anruf bei dem jeweils darauf hingewiesen wurde, daß ein Haus brennt. Der Anrufer verabschiedete sich in beiden Fällen mit „Heil Hitler“.
Erstmals seit den Angriffen auf Ausländer in Hoyerswerda, mit denen die Welle rassistischer Gewalt im vereinigten Deutschland begann, hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen an sich gezogen. Dies, so Generalbundesanwalt von Stahl, sei wegen der besonderen Bedeutung des Falles und der Gefahr für die innere Sicherheit sowie für die Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik geboten. Der Hitler-Gruß der Anrufer deute darauf hin, „daß die noch unbekannten Täter zur Wiedererrichtung einer nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland beitragen wollten“.
Die Morde in Mölln zogen bundesweit politische Reaktionen nach sich. Während CSU-Chef Theo Waigel und der FDP- Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff auch von Morden sprachen, die entsprechend zu ahnden seien, scheute sich die Bundesregierung, den Möllner Angriffen den Charakter geplanter Terrorakte zuzusprechen. Regierungssprecher Dieter Vogel sagte, die Bundesregierung gehe weiterhin davon aus, daß es sich bei den rechtsradikalen Gewalttaten um „spontane Aktivitäten“ handele. Vogel wollte in seinen Worten keinen Widerspruch zu Lambsdorffs Äußerungen erkennen. Der Angriff von Mölln, so der Sprecher, sei ein „beabsichtiger Mord“ oder aber auch ein „unbeabsichtigter Mord“ gewesen.
Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) deutete erstmals ein mögliches Verbot rechtsextremer Organisationen an. Ein solcher Schritt wäre ein „wichtiges Signal“, sagte der Minister. Eine Entscheidung stehe in Kürze an. Die SPD verlangte ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen Fremdenhaß und Intoleranz. So erklärte die Landtagspräsidentin von Schleswig-Holstein, Ute Erdsiek-Rave, „nicht nur der Staat, sondern alle seien aufgefordert, diesem mörderischen Treiben entgegenzutreten“. sie rief die Bürger des Landes auf, Patenschaften für AusländerInnen zu übernehmen und persönlich Verantwortung zu zeigen. „Wir müssen deutlich machen, daß derartige Anschläge sich gegen uns alle richten.“
Erstmals gab es nach einem neonazistischen Anschlag eine förmliche diplomatische Reaktion. Die türkische Regierung hat die Bundesregierung beschuldigt, unzureichende Maßnahmen gegen Neonazis zu ergreifen. In einer Erklärung hieß es, die Türkei habe die deutschen Behörden mehrfach gewarnt.
Diesmal sei es offenkundig, daß die bisherigen Maßnahmen völlig unzureichend gewesen seien. Die Türkei erwarte, daß die Verbrecher gefaßt und bestraft sowie die Familien der Opfer entschädigt werden. Tagesthema Seite 3
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