: Geförderte Wohnungsnot
■ Die Umwandlungswelle schwappt nach Dulsberg / Angst macht krank
schwappt nach Dulsberg / Angst macht krank
Seit 32 Jahren lebt Ruth Stadie in Dulsberg. Als 1960 die Häuser des Bau-Vereins zu Hamburg in der Lauenburger Straße und Umgebung bezugsfertig waren, ist sie eingezogen. Jetzt muß die Rentnerin auf ihre „alten Tage“ um die Wohnung fürchten, in der sie bis an ihr Lebensende zu Hause sein wollte. Denn der Bau-Verein ist vor längerer Zeit von der Wünsche AG, einer stadtbekannten und berüchtigten Immobiliengesellschaft, aufgekauft worden. Die Häuser in Dulsberg sollen nun in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Die dazu notwendigen „Abgeschlossenheits-Bescheinigungen“ sind bereits beantragt. Betroffen sind 127 Wohnungen.
Am Montagabend haben sich 200 Mieter der Dulsberger Wohnanlage auf Einladung der SPD erstmals zu einer Versammlung getroffen. Thema: Was geschieht mit unseren Wohnungen? Die Angst vor Vertreibung aus ihrem angestammten Viertel greift bei den überwiegend älteren Bewohnern um sich. Mit dabei war auch Ruth Stadie. Sie sammelte Unterschriften gegen die Umwandlungen.
Die Rechnung der Spekulanten ist einfach. Dieter Bernroth von der Mieterinitiative Fuhlsbüttel, seit gut einem Jahr von Wünsche- Umwandlungsplänen betroffen, erläuterte: „Vor 25 Jahren kostete eine Sozialwohnung wie unsere rund 1000 Mark pro Quadratmeter.“ Für diesen Preis habe sie Wünsche erworben. „Verkaufen kann er sie zu heutigen Preisen: 3600 Mark pro Quadratmeter.“ Ein lohnendes Geschäft, das man dem Immobilienhai aber versalzen könne. „Wir müssen uns als Mieter einen schlechten Ruf schaffen.“ Schon im Interesse der eigenen Gesundheit, denn nach einer Umfrage bei Ärzten steigt der Krankenstand in Gegenden rapide, die von Umwandlungen betroffen sind.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Freimut Duve bedauerte, daß „der Staat im Moment die drohende Obdachlosigkeit seiner Bürger subventioniert“. Durch Steuervorteile nämlich, die von der früheren SPD- Regierung eingeführt wurden, wie auch Duve einräumte. Der SPD- Bürgerschaftsabgeordnete Hermann Scheunemann forderte die Mieter auf: „Lassen Sie uns nicht nur für Sie kämpfen, kämpfen Sie auch für sich selbst.“ Torsten Schubert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen