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Hafenstraße: altes Rein- und Raus-Spiel

■ Hundert Polizisten räumten gestern in der Hafenstraße 110 / taz-Fotografin Marily Stroux von Uniformierten verletzt

in der Hafenstraße 110 / taz-Fotografin Marily Stroux von Uniformierten verletzt

Eine Hundertschaft Polizei im Einsatz, eine vorübergehende Einkesselung von UnterstützerInnen, eine Festnahme wegen des „Verdachts des Widerstands“ und eine verletzte taz-Fotografin - die Bilanz der gestrigen Räumung einer Wohnung in der Hafenstraße.

Etwa 100 SympathisantInnen trennten gestern morgen um zehn Uhr den angerückten Gerichtsvollzieher von der Eingangstür des

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Hauses 110. Drei BewohnerInnen einer Wohnung im ersten Stock sollte dieser auf Geheiß der Eigentümerin, der städtischen Hafenrand GmbH, mit einem Räumungstitel vor die Tür setzen. Hafenrand-Chef Wolfgang Dirksen plant, die 86 Quadratmeter große Wohnung zu renovieren und neu zu vermieten.

Mit seinem Räumungsbegehren hatte er für diese Wohnung mehr Glück vor Gericht als für die restlichen Häuser. In diesem Fall nämlich bestand nur ein Gewerbemietvertrag - „Zweckentfremdung von Wohnraum“, wie Dirksen argumentierte. Er bekam recht.

Angesichts der Blockade vor der Tür wurde gestern morgen unverzüglich Polizei zur „Vollzugshilfe“ geordert. Rund hundert Beamte drängten die Menschen ab, kreisten sie vorübergehend ein. Kein Kessel, sondern eine „Ingewahrsamnahme“, wie Polizeisprecher Wolfgang Lüdtke es genannt wissen wollte. Nach einigen heftigen Rangeleien zwischen den Eingeschlossenen und ihren uniformierten Bewachern ließ die Einsatzführung die rund 50 Menschen dann schließlich doch frei.

Eine halbe Stunde mühten sich Einsatzkräfte anschließend damit ab, die Haustür mit Ramme und Kettensäge aufzubrechen. Nachdem diese Barriere überwunden war, zerrten sie die 30 in der Wohnung versammelten BewohnerInnen mit rüder Gewalt aus dem Haus. Besonders hart traf es dabei taz-Fotografin Marily Stroux. Obwohl (oder weil?) die Polizisten sie als Pressefotografin kennen, wurde sie derart brutal aus der Wohnung gezerrt, daß sie die Treppe hinunterstürzte. Die Fotografin: „Die Polizisten traten mich dabei unablässig.“ Auch als sie bereits auf dem Boden gelegen habe, hätten die Polizisten noch auf sie eingetreten. Ein Beamter habe außerdem ihre Kamera zweimal auf den Boden geschmissen. Der Unfallarzt, den sie wegen starker Schmerzen aufsuchte, bescheinigte einen Steißbeinbruch und Prellungen.

Die geräumte Wohnung war schon kurz nach dem Abmarsch der Polizei wieder geöffnet. „Das scheint auf ein Kräftemessen hinauszulaufen“, kommentierte Dirksen gelassen. Man werde jetzt etwas Ruhe einkehren lassen, die

1Wohnung aber keineswegs hergeben, betonte er. Eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch und regelmäßige Kontrollbesuche kündigte er ebenfalls an. Die für nächste

1Woche geplante Renovierung werde zunächst verschoben. „Bewerber haben wir schon jetzt für die Wohnung“, so der Hafenrand- Chef. Sannah Koch

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