„Arbeiten wider den Zeitgeist“

■ Ehrendoktorwürde für den Psychoanalytiker Hans Keilson

Wie verarbeiten Kinder ihre Gefangenschaft in einem Konzentrationslager? Was passiert in ihnen, wenn ihre Eltern ermordet werden?

Diese beiden Fragen stellte der Psychoanalytiker und Psychiater Hans Keilson in den Mittelpunkt seiner Forschungen. Über 200 jüdische Kinder und Jugendliche, die durch den Nazi-Terror zu Vollwaisen wurden und überlebt haben, hat er zwischen 1970 und 1979 untersucht. Mit seiner Arbeit über „Sequenzielle Traumatisierung bei Kindern“ promovierte er als 70jähriger an der Universität in Amsterdam. Jetzt ist er außerdem Ehrendoktor an der Uni Bremen.

Der gelernte Mediziner und Schriftsteller jüdischen Glaubens (Examen 1934) verließ nach dem Berufs- und Publikationsverbotverbot durch die Nazis 1936 Berlin und emegrierte in die Niederlande. Nach der Besetzung der Niederlande durch die deutsche Wehrmacht schließt er sich der holländischen Resistance an und arbeitet für sie als Arzt. So bekam er erste Kontakte zu jüdischen Kindern, deren Eltern man

hier bitte das Portrait

von dem älteren Herrn

in KZs deportiert hatte und die vor den Nazis versteckt werden mußten. Nach der Befreiung der Niederlande gründet er dort die Organisation Le Esrat Hyeled (Zum Wohle des Kindes), für die er fortan als Psychiater arbeitet.

Der Fachbereich für Human-

und Sozialwissenschaften der Universität Bremen würdigte jetzt die Leistungen des heute 83jährigen, weil sie als Meilensteine in der Forschung der Psychoanalyse gelten. Dabei habe er nur „eine humane Form des Widerstandes gegen vernichtende Kräfte“ geleistet, erklärte Keilson am Dienstag bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde. Jahrelang hatte Keilson gegen die skeptische Fachwelt angeschrieben. Eine wissenschaftliche Auswertung über ein solch kompliziertes Thema, so die Wissenschaftskollegen, sei kaum möglich. Der Bremer Psychologe Thomas Leithäuser lobte das „vorbildliche Arbeiten wider den Zeitgeist, wider die Ignoranz, Arroganz und Anmaßung.“ Veronika Meduna