Schüsse gegen Verständigung auf Zypern

■ Überfall auf die „Neue Zypern-Partei“/ Hoffnungen auf Bundesstaat vertagt

Nikosia (taz) – Es war morgens um halb fünf, als die unbekannten Täter vor der Zentrale der „Neuen Zypern-Partei“ im türkischen Teil der zypriotischen Hauptstadt Nikosia auftauchten. Sie feuerten auf das Haus und verschwanden. Verletzt wurde niemand. Es war nicht der erste Anschlag, und der Parteivorsitzende Alpay Duduran kann seines Lebens nicht mehr sicher sein. Kurz vor diesem letzten Überfall am 11. November hatten er und zwei Führer anderer zyperntürkischer Oppositionsparteien starke Worte gegen die Präsenz türkischer Truppen auf der Mittelmeerinsel gefunden. In einer Fernsehsendung prangerten sie die Politik des zyperntürkischen „Präsidenten“ Denktasch an, der sich gerade in New York auf UNO- Vermittlung mit Zyperns Präsident Vassiliou um die Gründung eines Bundesstaates stritt. Griechische und türkische Zyprioten sollten entsprechend den UNO-Vorschlägen einen gemeinsamen Staat gründen, so Duduran.

Die New Yorker Verhandlungen sind inszwischen ergebnislos vertagt worden. Auch wenn Denktasch erklärte, man habe sich in „91 von 100 Punkten“ geeinigt – in den zentralen Fragen des geplanten Bundesstaates, der die türkische Besetzung Nordzyperns beenden soll, blieb er kompromißlos auf der alten Linie: Nicht nur der gemeinsame Staat, sondern auch die beiden Teilrepubliken sollten mit einer eigenen Souveränität ausgestattet werden. Das liefe auf die Anerkennung einer „Türkischen Republik Nordzypern“ auf türkisch besetztem Gebiet hinaus. Eine von UN-Generalsekretär Ghali vorgelegte Karte mit möglichen Grenzen zwischen mehrheitlich zyperngriechisch beziehungsweise zyperntürkisch bewohntem Gebiet lehnte Denktasch rundweg ab, ebenso die Rückgabe zyperngriechischen Eigentums.

Die zyperngriechische Seite hat dem UNO-Plan „im Prinzip“ zugestimmt. Doch in der Republik Zypern fürchtet man längst, daß Denktasch auf eine endgültige Teilung der Insel hinarbeitet. Viele der rund 165.000 zyperngriechischen Flüchtlinge aus dem Krieg von 1974 glauben nicht mehr an eine Einigung mit ihm. Eher hofft man auf eine veränderte Politik in Ankara, wo die Zypern-Frage aufgrund des türkischen Engagements für die turksprachigen ehemaligen Sowjetrepubliken offenbar an Bedeutung verliert. Doch ob die türkischen Generale das strategische Kleinod Zypern bis zur nächsten UNO-Runde für verzichtbar halten, steht dahin.

Für die türkischen Zyprioten drängt die Zeit. Sie drohen durch die massive Einwanderung vom Festland zu einer Minderheit im eigenen Land zu werden. Die Einwanderer leben in den Häusern der zyperngriechischen Flüchtlinge – an einem Bundesstaat der Zyprioten haben sie kein Interesse. Alpay Duduran von der „Neuen Zypern-Partei“ spricht sich für den UNO-Plan aus. Die Regierung Denktasch beschimpfte ihn deshalb als „Vaterlandsverräter“. Die Täter des Feuerüberfalls sind bisher nicht gefaßt worden – wie schon beim letzten Anschlag. Klaus Hillenbrand