Alltagsportrait einer Ehe
: Rote Soßen

■ Über die Unmöglichkeit multikultureller Toleranz am häuslichen Kochtopf

Mahjid liebt mich, zumindest gab er mir dies lange Zeit zu verstehen, und rote Soßen. Rote Soßen mit Unmengen von Knoblauch. „Hält die Arterien in Schwung“ – versichert er augenzwinkernd, um damit die dreifache Menge Knoblauch wie im Urrezept seiner Mutter zu legitimieren. Nicht, daß ich Knoblauch nicht mag oder mir die Wirkungen peinlich wären, im Gegenteil, aber rote Soßen sind inzwischen zu einem permanenten Angriff auf meine mitteleuropäische Identität geworden. Rote Tomatensoße mit Knoblauch und möglichst viel Harissa, einer tunesischen Mischung aus Tomaten, Paprika und nochmals Knoblauch, ist für Mahjid hingegen Heimatgefühl, ein Teil seiner nordafrikanischen Identität. Und so entlädt sich unserer Nord-Süd-Konflikt am häuslichen Herd zwischen weißen und roten Soßen. Kommen Gäste auf Besuch, brilliert Mahjid natürlich mit seinen roten Soßen vom Couscous bis zu Spaghetti à la tunesienne, die darüber hinaus auch noch den Vorteil haben, daß sie mühelos für eine große Zahl von Gästen zubereitet werden können, was den Eindruck des gastfreundlichen Arabers stimmungsvoll und deutlich unterstreicht. Der Erfolg ist ihm stets gewiß. Das Fremdartige wird von Freunden und selbst von Tante Ilse goutiert: von Tante Ilse nebst Onkel Heinz, weil es viel besser schmeckt als das auf dem Folkloreabend in Sousse, wo sie letztes Jahr im Urlaub waren; für unsere multikulturell gestimmten Freunde hat es das Flair von praktizierter Völkerfreundschaft und weltgewandter Offenheit. Meine schlichten Rindsrouladen mit Knödeln wirken dagegen piefig. Zugegeben. So rückt bei gesellschaftlichen Anlässen unsere Beziehung in ein appetitliches Licht zwischen Hammelkeule und Harissa, das mein kochkundiger fürsorglicher Gatte mit einer effektvollen Abschlußrunde Pfefferminztee und Feigenschnaps, untermalt von arabischer Musik, zu zelebrieren versteht. So bringt er ein Stück Morgenland in den Kreis unserer deutschen Freunde und Bekannten. Mit meinen deutschen Spezialitäten hatte ich im Kreise seiner tunesischen Familie nie Erfolg – die ungewohnte Kost stieß auf ein kaum verhohlenes Unverständnis und entlockte nur fadesten Zuspruch. Nun könnte dies durchaus meinen Kochkünsten geschuldet sein, doch auch im hervorragenden deutschen Restaurant hatten die tunesischen Familienmitglieder nur ein müdes Lächeln für das Dargebotene übrig. Sie bleiben ihrer einheimischen Küche stolz und unerschütterlich treu. Und so erhielt ich von der freundlichen Schwester meines Angetrauten beim nächsten Besuch gleich das entsprechende Präsent: „La Cuisine tunisienne“. Etwas beleidigt bedankte ich mich für das reich bebilderte Kochbuch. Doch weder der Neid auf die gesellschaftlichen Koch-Auftritte meines Mannes, gegen die, wie gesagt, meine besten Rouladen nicht mithalten können, noch die sinnlosen Versuche, im verschwägerten Kulturkreis Sympathie für die deutsche Küche zu wecken, haben unsere grenzüberschreitende Beziehung in eine gefährliche Krise gestürzt. Es ist der schlichte Alltag zwischen Spaghetti, Hammel und Nudeln – alles im Tomaten-Einheitsrot. Selbst die ausgetüfteltsten Gemüseplätzchen verfremdet Mahjid mit einem Löffel Harissa ins rötlich Schimmernde. Der mühsam herausgekitzelte Majorangeschmack weicht der scharf-dominierenden Knoblauch-Paprika-Mischung. Kulturimperialismus auf meinen Gemüseplätzchen, den er auch noch dreist mit der höher entwickelten Eßkultur im Mittelmeerraum rechtfertigt, und darüber hinaus eine grobe Verachtung meiner Bemühungen und eine brutale Verneinung meines Geschmacks. Letztlich eine Ablehnung meiner geschmacklichen Identität.

Und so bin ich zum Frontalangriff übergegangen, indem ich mich roten Soßen – die ich zu Beginn unserer Beziehung sehr gerne aß – verweigere. Mit dem Ergebnis, daß sich Mahjid mehr und mehr dem häuslichen Herd entzieht, seine Leidenschaft für rote Soßen immer häufiger aushäusig in mir kaum zugänglichen Kreisen tunesischer Freunde, Bekannter und Restaurants auslebt, während ich nun oft zu Single- Kost greife, da sich auch die feinste Gemüsesoße für das alleinige Abendessen kaum lohnt. Um den Kochtopf tobt und erprobt sich die kulturelle Toleranz. Er ist die banale Barriere unserer sonst so geglückten rational-intellektuellen, bikulturellen Liebesbeziehung. So hatte meine Mutter mit ihrer schlicht-deutschen Lebensweisheit doch recht: Liebe geht durch den Magen. Edith Aoui