: Der kleine König kehrt zurück
Nachdem König Hussein von Jordanien seine schwere Krankheit auskuriert hat, bewies er, wie meisterlich er das politische Kräftegefüge seines Landes kontrolliert ■ Von Khalil Abied
Amman (taz) – Nach einer Zeit der Verunsicherung glauben die meisten Jordanier seit Anfang dieser Woche, daß sie nun aufatmen können. Nach einer längeren Krankheit meldete sich König Hussein in einer Ansprache vor frischgebackenen Offizieren am Montag zurück und machte klar, daß man trotz einer Krebsdiagnose auch weiterhin mit ihm zu rechnen habe. Hussein verteilte heftige Kritik an alle Seiten: an die Neue Weltordnung, die islamische Bewegung und beschwerte sich über die PLO, Saddam Hussein und die Golfstaaten. „Er will zeigen, daß er nach wie vor die Politik des Landes macht, daß er die Lage unter Kontrolle hat und noch lange an der Macht bleiben wird“, kommentierte ein jordanischer Politiker den königlichen Rundumschlag. Alle haben die Botschaft verstanden, die König Hussein übermitteln wollte: „Ich bin gesund.“
Kaum einen Monat ist es her, als der König seinen Untertanen schonend beibrachte, er werde wegen seiner Erkrankung oft zur Behandlung ins Ausland reisen müssen. Für viele klang es wie eine Abschiedsrede. „Wenn man an Krebs erkrankt ist und sich solchen Operationen unterziehen muß wie er, dann wird man natürlich sentimental. Der König wollte seinem Volk gegenüber ehrlich sein, doch viele haben das mißverstanden. Jetzt ist er wieder in der Lage, seinen Pflichten nachzukommen“, erklärte Staatsminister Ibrahim Ezzaddin.
Doch der Schreck über die dramatischen politischen Entwicklungen, die das Land während der Abwesenheit des Königs durchmachte, sitzt allen noch in den Knochen. Beinahe wäre es zu einer Konfrontation zwischen der islamischen Bewegung und der Regierung gekommen. Zwei prominente Parlamentsabgeordnete der unabhängigen islamischen Fraktion, Leith Schbeilat und Mohamed Kirrish, wurden wegen des Vorwurfs verhaftet, mit iranischer Finanzunterstützung eine illegale Untergrundorganisation namens „Der islamische Aufruf“ gegründet zu haben, um die Regierung zu stürzen. Ein Staatssicherheitsgericht verurteilte sie zu zwanzig Jahren Gefängnis. Besonders die Verhaftung von Schbeilat löste einen politischen Schock aus. Der 50jährige Politiker entstammt einem der alten mächtigen Familienclans im südjordanischen Tafileh, wo das jordanische Königshaus seine traditionelle Basis hat. Als profilierter Gegner der Geheimdienste und der Korruption hat sich Schbeilat den Ruf eines unabhängigen und vertrauenswürdigen Politikers erworben.
„Es war eine Racheaktion des Geheimdienstes und einer Reihe etablierter Politiker, die fürchten, ihren Einfluß durch den Demokratisierungsprozeß zu verlieren“, interpretiert ein jordanischer Journalist die Ereignisse. „Sie wollten die Abwesenheit des Königs nutzen, um ihre Macht zu restaurieren.“ In politisch gut informierten Kreisen der jordanischen Hauptstadt heißt es, der Geheimdienst und ein Teil des politischen Establishments seien davon ausgegangen, daß die Tage von König Hussein möglicherweise gezählt seien. Er werde in jedem Falle zu schwach sein, die Geschicke des Landes wie früher zu bestimmen. Ein „politisches Vakuum“ sei im Entstehen, und der Geheimdienst habe es „füllen“ wollen.
Für die starke islamische Bewegung war die Verhaftung der beiden Politiker ein Alarmsignal. „Viele Leute konnten es nicht ertragen, daß die islamische Bewegung bei den Parlamentswahlen fast ein Drittel der Sitze gewonnen hat. Sie wollten den Ruf unserer Bewegung durch diesen Prozeß verderben, indem sie uns als Terroristen und iranische Agenten darstellen“, vermutet ein Führungsmitglied der größten islamischen Organisation Jordaniens, der Moslembrüder. „Einige Leute in diesem Regime wollen in Jordanien wiederholen, was in Ägypten und Algerien passiert ist. Aber wir werden die Fehler der dortigen Islamisten nicht wiederholen. Wir sind stark genug, um mit demokratischen Mitteln auf diese Versuche zu reagieren.“
Nur zwei Tage nach dem Urteilsspruch gegen die beiden islamischen Politiker reagierte der König. Er verkündete eine Generalamnestie für die etwa tausend politischen Gefangenen in Jordanien und ersparte dem Land damit eine Zerreißprobe. Gleichzeitig schmückte er die Revers seines Präsidenten und der Mitglieder des Staatssicherheitsgerichtes mit weiteren Orden für ihre Verdienste um „Recht und Ordnung“. Damit zielt der König auch darauf, die Autorität des Geheimdienstes und des juristischen Systems zu schützen. Eine solche Politik beschreibt man in Jordanien mit dem Sprichwort: den Wolf schützen, ohne die Schafe zu verlieren.
In seiner Rede wandte sich der König auch gegen die Kritik der jordanisch-israelischen Absprachen während der letzten Runde der bilateralen Nahost-Verhandlungen in Washington, wie aus den Reihen der Islamisten zu hören war. Die Botschaft ging aber auch an die Adresse der PLO, die sich über den Umgang mit der Flüchtlingsfrage und den zukünftigen Status der besetzten Gebiete besorgt zeigte und die mangelnde Koordination zwischen Palästinensern und Jordaniern monierte. „Es war die Entscheidung der PLO, ihre Angelegenheiten in die eigenen Hände zu nehmen. Schließlich teilt sie uns auch nicht mit, wenn sie etwas mit Israel zu verhandeln hat.“ Gleichwohl betonte er seine Bereitschaft, auch in Zukunft mit der palästinensischen Führung zu kooperieren.
Zum ersten Mal äußerte sich König Hussein ganz eindeutig über seine Politik gegenüber Bagdad. Er wünsche den Irakern ein baldiges Ende ihrer Misere und die Errichtung eines demokratischen Mehrparteiensystems. Saddam Hussein wurde mit keinem Wort erwähnt. Ein jordanischer Politiker erklärte denn auch zur jordanischen Irak-Politik: „Wir gehen davon aus, daß Saddam Hussein nicht nur die demokratische Entwicklung im Irak behindert, denn indem er dies tut, blockiert er auch alle Möglichkeiten, die Einheit des Irak zu wahren und dem Elend der Iraker endlich abzuhelfen.“ Auch die Golfstaaten und insbesondere Kuwait kamen in der königlichen Rede nicht gut weg. Er warf ihnen vor, mit Hilfe von Öl und Petrodollars das politische Leben der arabischen Welt korrumpiert und zerstört zu haben. „König Hassan von Marokko hat im letzten Monat versucht, zwischen uns und den Golfstaaten zu vermitteln“, erklärt der jordanische Politiker den Hintergrund dieses Teils der Rede. „Aber ihre Bedingungen waren für uns unakzeptabel. Diese Ansprache war die jordanische Antwort.“
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