ABM-Projekte – Brücken in den freien Markt?

■ Schwierige Umwandlung von AB-Maßnahmen in wettbewerbsfähige Unternehmen: Botanikprofessor Heynert schuf Arbeitsplätze für 15 Akademiker

Berlin. „Das Problem ist der verfluchte Übergang“ – der Botaniker Professor Horst Heynert verliert Contenance und sein gepflegtes Deutsch, wenn er einen Vorgang beschreiben soll, der in Ostdeutschland größte Schwierigkeiten bereitet: die Umwandlung eines als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) gestarteten Projektes in ein wettbewerbsfähiges Unternehmen. Professor Heynert ist ein rühriger Mann. Er gründete die Brandenburgische Botanische Gesellschaft und initiierte mit dieser ein 15köpfiges ABM-Projekt zur Erfassung der Vegetation in Berlin und Brandenburg. Inzwischen hat er gute Chancen, daß diese Geobotanische Landesaufnahme zu einem Teilprojekt des Umweltforschungsplanes wird, den das Bonner Umweltministerium auslobt. Aber wie so viele Existenzgründer in der ehemaligen DDR diktiert ihm der Markt zwei schwer erfüllbare Forderungen: Wie ist das Unternehmen zu finanzieren? Wie kann es bei potentiellen Geschäftspartnern bekannt gemacht werden?

Eine (Dienst-)Leistung kann die Geobotanische Forschungsakademie e.V. anbieten. Sie nimmt eine botanische Kartierung der Mark vor, wie es sie in dieser Präzision bislang nicht gegeben hat. In Grundeinheiten von 250 mal 250 Metern erfassen Horst Heynert und 15 ABM-Kräfte Flora und Vegetation in einem Areal, das von Erkner nach Osten bis knapp an Buckow heranreicht und von Fürstenwalde bis weit über Strausberg im Norden geht. Ein zweites Areal mit erneut rund 1000 Quadratkilometern, das westlich von Erkner bis weit nach Berlin langt, soll folgen. Die Kartierung hat den ökologischen Wert, daß sie genaue Kenntnisse über die höhere Pflanzenwelt bringt. Und, so der 59jährige Heynert, sie gibt als botanisches Gutachten Auskunft über eine mögliche wirtschaftliche Nutzung. Ohne Gutachten genehmigt keine Naturschutzbehörde den Zugriff auf Grund und Boden.

Wenn Heynert für seine Geobotanische Forschungsakademie die beantragten knapp 750.000 DM bekommt, ist die Finanzierung des Instituts samt der geplanten 15 Mitarbeiter für vier Jahre gesichert. Auf diesen Zeitraum ist die Aufnahme in den Umweltforschungsplan angelegt. Vor allem aber könnte er seine Dienstleistung auch auf dem freien Markt verkaufen, ohne hinterher lange mit dem Arbeitsamt zu verhandeln. Denn so lautet die Regel bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen: Wird mit den vom Arbeitsamt bezahlten Arbeitskräften eine Ware produziert und verkauft, so muß der erzielte Erlös ans Arbeitsamt zurückbezahlt werden. Dieses Prinzip soll dafür sorgen, daß der sogenannte freie Wettbewerb nicht verzerrt wird: Die mit Lohnkostenzuschüssen geförderten Betriebe sollen der privaten Wirtschaft keine Konkurrenz machen. Im Osten der Republik ist dieser Fall oft nicht gegeben. Dort hat das große Unternehmenssterben die Konkurrenz auf vielen Sektoren gänzlich ausgeschaltet.

„Haben wir mal einen kleinen Auftrag gekriegt, dann müssen wir die 5.000 Mark zum Arbeitsamt tragen“, schimpft Horst Heynert über den Noch-Zustand seiner AB-Maßnahme. Der Botanikprofessor begann diese nicht aus reiner Liebe zur Botanik oder weil er 15 ehemaligen Diplom-Landwirten und -Gartenbauern einen Zweijahresjob verschaffen wollte. Das ist in der Regel die Laufzeit von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Heynert und die Brandenburgische Botanische Gesellschaft begriffen die ABM als Starthilfe zur Unternehmensgründung. Er wollte ein Forschungsinstitut mit Dauerarbeitsplätzen gründen, wie es viele tausend andere Träger in der DDR auch taten. Knapp 400.000 Menschen sind derzeit in den östlichen Bundesländern in ABM beschäftigt. Zum Vergleich: der Höchststand in der alten Bundesrepublik lag Ende der 80er Jahre bei 120.000 ABM-Kräften.

In der ehemaligen DDR und in Ostberlin ist die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mittlerweile zu einer überdimensionalen Sackgasse für Tausende von ABM-Betrieben geworden: Am Ende der Förderung durchs Arbeitsamt steht oft genug die Arbeitslosigkeit. Unter marktwirtschaftlichen Bedingungen in der alten Bundesrepublik kreiert, wurden ABM in den 70er Jahren vor allem zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eingesetzt. Die Existenzgründer der aus der planwirtschaftlichen DDR Entlassenen sitzen nun mit dem ABM-Instrument zwei Jahre lang in einer Art goldenem Käfig. Das Arbeitsamt zahlt für diese Zeit zwar die Löhne. Wer sich aber an den Markt wagt, muß die erzielten Einnahmen ans Arbeitsamt abführen. Ein Startkapital für den großen Sprung in die Marktwirtschaft am Ende der zwei Jahre kann so nicht angehäuft werden. Und auch einen Namen können sich die Unternehmen in den meisten Fällen nicht machen.

Der Botanikprofessor streckt als Gegenstrategie die Fühler seiner Botanischen Gesellschaft in alle Richtungen aus. Er bietet eine Umschulung für Offiziersaussteiger aus der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee an. Einen ehemaligen Marinetaucher hat er sich dabei auserkoren, um auch die Vegetation in den Märkischen Seen erfassen zu können. Neben den Ex-Militärs absolvieren junge Leute ihr Freiwilliges Ökologisches Jahr bei der Brandenburgisch Botanischen Gesellschaft. In einer Zeitschrift namens BIO-report, die am Wochenende zum zweiten Mal erschien, berichtet die Gesellschaft über ihre Studien. Dies alles soll, so erhofft es sich Heynert, den Bekanntheitsgrad der Gesellschaft erhöhen. Das wären „die Brücken in den freien Markt“. Christian Füller