Nur ein erster Schritt

■ betr.: "Zynische Ratgeber", taz vom 14.11.92

betr.: „Zynische Ratgeber“ (Ökolumne), taz vom 14.11.92

[...] Welchen Beitrag zur Lösung welcher Zukunftsprobleme glaubt Michael Berger damit zu leisten, daß er die Bemühungen kommunaler Umweltpolitik als „einfältig, bei näherem Betrachten zynisch“ denunziert? Bemühungen, mit denen versucht wird, private KonsumentInnen (wie auch Industrie und Landwirtschaft!) mittels positiver Verstärkung zu gewissen Verhaltensänderungen zu bewegen? Bemühungen, die sich zusammensetzen aus allerlei Fördermaßnahmen, Angeboten, Gebührenanpassungen, Verordnungen und in der Tat auch Werbekampagnen, über deren mehr oder weniger geglückte Formulierungen („Mülldiät“) man ja streiten kann? Bemühungen, die sowieso eine stiff upper lip erfordern, weil es den meisten – auch linken – Leuten im Grunde völlig egal ist, was die Stadtreinigung mit dem Müll macht (solange die Gebühren nicht erhöht werden), wieviel Stickoxide aus dem Auspuff entweichen (solange man durch den TÜV kommt) und ob der Wald stirbt (solange es nicht die Edeltanne im eigenen Vorgarten erwischt). Kurz: weil es sie nicht die Bohne interessiert, was so eine Behörde tut, Hauptsache sie tut es so, daß Bequemlichkeit und Kontostand der BürgerInnen nicht derangiert werden.

Dabei wäre genau das nötig, denn ob Müllvolumen, Energie- und Wasserverbrauch, Menge und Chemiegehalt des Abwassers oder Konzentration der Luftschadstoffe – zu all dem tragen die privaten Haushalte, ihren Anteil am Verkehrsaufkommen mitgerechnet, keineswegs nur marginal bei. Zum direkten Anteil kommt der mittelbare, denn wer kauft schließlich der Industrie ihren umweltschädlich produzierten potentiellen Sondermüll ab, allen „einfältigen bis zynischen“ Warnungen zum Trotz? [...]

Wer den häuslichen Abfall vorsortiert, weniger Trinkwasser durchs Klo rauschen läßt und öfter mit der U-Bahn fährt, leistet noch keinen besonderen Beitrag gegen den Weltuntergang als solchen. Er/ sie erkauft sich damit auch keinen „Ablaß von Konsumsünden“, sondern tut nur einen ersten, nicht atemberaubend großen Schritt. Und hebt sich positiv von denen ab, die nicht mal so weit in die Schuhe kommen. Wenn jemand der Meinung ist, die HamburgerInnen (Deutsche, WesteuropäerInnen usw.) müßten nun endlich den zweiten Schritt folgen lassen und bewußten Konsumverzicht zugunsten eines ökologischen „New Deal“ mit Osteuropa und den sogenannten Entwicklungsländern üben, kann ich ihm nur zustimmen. Wenn er auch den Punkt kennt, an dem die Umweltpolitik diesbezüglich ansetzen und die bisherige Bewußtseins-Welt aus den Angeln heben kann, möge er uns diesen Punkt zeigen und zum Beispiel mit uns über ökologische Steuerpolitik nachdenken. Wenn nicht, möge er in aller Bescheidenheit selber zu Fuß zum Einkaufen gehen und die Joghurtbecher hinterher in die gelbe Tonne tun. [...] Jens Reimer Prüß,

Freie und Hansestadt Hamburg,

Umweltbehörde