■ Warum Kinkel und nicht Seiters zur Trauerfeier kam
: Innen und Außen

Politik besteht zu einem guten Teil aus Symbolik. Besuche von Politikern, zu Trauerfeiern etwa, verändern nichts an den Tatsachen, erwecken Tote nicht mehr zum Leben. Wenn Politiker zu Terminen „draußen im Lande“ einfliegen, tun sie das üblicherweise nicht aus Betroffenheit, sondern weil es ihr Geschäft ist. Deswegen muß es nicht gleich Heuchelei sein. Ihre Anwesenheit symbolisiert das Interesse des Staates an einem bestimmten Ereignis – bei einem rassistisch motivierten Mord das Interesse an dessen Aufklärung und am Widerstand des Staates gegen die Rassisten.

Doch welcher Bundesminister gibt ausländischen Zeitungen Interviews zu Mölln und nimmt an der Trauerfeier für die Opfer des Mordanschlags von Mölln teil? Außenminister Klaus Kinkel. Wer stellt sich in Israel den Fragen nach einem Wiederaufleben des Antisemitismus? Kinkel. Wer fährt nach dem Brandanschlag zur KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen? Kinkel. Welches Regierungsmitglied ruft zu Aktionen gegen den Rechtsradikalismus auf? Wieder Kinkel. Die Interessen dieser Bundesregierung in Sachen Rechtsradikalismus offenbaren sich in seiner Person. Der Außenminister ist zuständig für das Bild der Deutschen im Ausland – und das steht ganz offensichtlich nicht zum besten. Kinkel soll auch dafür sorgen, daß deutsche Produkte im Ausland weiterhin gekauft und ausländische Investitionen im Inland weiter getätigt werden. Dieses Interesse der Bundesregierung ist durchaus legitim.

Seine Aktivitäten also in Ehren, aber zuständig ist er eigentlich nicht. Da gibt es doch noch einen Innenminister, Rudolf Seiters (CDU). Der nimmt bevorzugt zum angeblichen „Asylantenproblem“ Stellung. Bei den rassistischen Anschlägen hält er sich dagegen auffällig bedeckt. Der deutsche Innenminister versteht sich offenbar nur als Innenminister für die Deutschen. „Ausländer“ treten bei ihm höchstens als Problem auf, das es zu lösen gelte. Während Kinkel gestern in Hamburg für die Bundesregierung an der Trauerfeier für die Opfer des Attentats von Mölln teilnahm, saß Seiters in Bonn und debattierte mit den Vertretern der anderen Altparteien über die Aushöhlung des Asylrechts, über Länderlisten und die Aufhebung der Rechtswegegarantie für Flüchtlinge.

Diese Aufgabenteilung enthüllt, was für die Bundesregierung das zentrale Problem bei Rassismus und Antisemitismus ist: Im Inland soll Seiters Asyl-Politik machen und CDU-Stimmen für die nächsten Wahlen sammeln. Im Ausland darf Kinkel das negative Bild von den Deutschen geraderücken. Nicht der Rassismus selbst, sondern allein dessen Folgen sind es, die in Bonn die Alarmglocken klingeln lassen. Klaus Hillenbrand