Eiszapfen für Panić

■ Besuch des jugoslawischen Ministerpräsidenten in Bonn

Bonn (taz) – Einen frostigen Empfang bereitete das Bonner Protokoll dem jugoslawischen Ministerpräsidenten Milan Panić auf seiner Stippvisite am Donnerstag in Bonn. Nicht eine einzige Fahne des zerbrochenen Jugoslawiens empfing den Serben, selbst der sonst obligatorische Fototermin war vom Bundeskanzler abgesagt worden. Statt dessen machten Kohl und Kinkel in ihren rund einstündigen Gesprächen mit Panić diesem deutlich, daß die von der UNO gegen Serbien und Montenegro verhängten Sanktionen weiterhin in Kraft bleiben müßten.

Unbeeindruckt optimistisch präsentierte sich Panić dagegen am Abend nach den Gesprächen gegenüber der internationalen Presse. Als der ehemalige Radrennfahrer unter dem Beifall der aus Serbien mitgebrachten 60köpfigen Journalistencrew den Sitzungssaal betrat, verkündete er voller Stolz: „Ich habe gearbeitet und bin als Mann des Friedens empfangen worden.“ In Siegesstimmung erklärte Milan Panić, er sei nun sicher, daß Deutschland nach den Wahlen in Serbien ein neues Jugoslawien anerkennen werde. Nach Einschätzung des Serben habe sich auch die Lage in Bosnien unter seiner viermonatigen Amtsführung erheblich verbessert. „Der Friede wird kommen“, so Panić, und die Deutschen müßten für seine Regierung „beten“.

Begleitet wurde der Besuch Panićs, der auf eigenen Wunsch nach Bonn gekommen war, von Protestaktionen zahlreicher Vertriebener aus Bosnien und Kroatien. Vor dem Bundeskanzleramt empfingen sie Panić als „lachenden Clown auf einer Vernebelungsreise“. Nach Ansicht der Vertriebenen sei die Europa-Tour des Serben lediglich ein geplanter Schachzug Belgrads gewesen. Während Panić, so eine Kroatin, „Hinhaltetaktik betreibt“, dürfe Milošević „in Seelenruhe schießen“.

Berichte über systematische und massenhafte Vergewaltigungen kroatischer und moslemischer Mädchen und Frauen durch serbische Freischärler haben in Bonn einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Nachdem Kohl schon am Donnerstag gegenüber Panić seinen Abscheu darüber geäußert hatte, forderten Frauenpolitikerinnen aller Fraktionen gestern in Bonn, die Gewaltakte als Kriegsverbrechen einzustufen und international dagegen vorzugehen. Hasso Suliak