Oberster Sowjet lehnt Kompromißprogramm ab

■ Tauziehen um russische Reform hält an/ Keine weitere Regierungsumbildung

Moskau (taz) – Die russische Regierung hatte sich innerlich schon darauf eingestellt. Der Oberste Sowjet, Rußlands ständiges Parlament, würde seine Zustimmung zum Antikrisenprogramm, das der geschäftsführende Vizepremier Jegor Gaidar den Legislatoren am Donnerstag vorgestellt hatte, erst einmal verweigern. Mit 137 zu 20 Stimmen lehnten die Deputierten das buchdicke „Papier“ ab und empfahlen, es noch einmal gemeinsam mit Experten des Parlamentes zu überarbeiten. Das Pokern um die Startplätze für den am Dienstag beginnenden Volksdeputiertenkongreß, Rußlands höchstes gesetzgebendes Organ, hält somit an. Andererseits wiesen die Abgeordneten aber die Rufe der Rechtsaußen-Fraktionäre nach einem Mißtrauensvotum gegen die Regierung zurück.

Gaidar hatte sich nach heftigen Angriffen der zentristischen „Bürgerunion“ im letzten Monat auf die Anfertigung des Kompromißprogrammes einlassen müssen. Was der Vizepremier dann vorstellte, war jedoch ein Konzept, das in entscheidenden Punkten den mächtigen Direktoren der Staatsbetriebe keine wesentlichen Konzessionen machte. Sie wollten: ungehinderten Zugang zu Staatskrediten, das Einfrieren von Preisen und Löhnen, um ihre maroden Unternehmen über Wasser zu halten. Gaidar gab in diesen Punkten nicht nach. Fraglich ist aber, inwieweit er in den nächsten Tagen oder auf dem Volksdeputiertenkongreß seinen Widersachern entgegenkommt.

Nicht weiter nachgeben will Jelzin dagegen bei der geforderten Kabinettsumbildung. Vizepremier Schochin: „Rücktritte in der Form, daß Kabinettsmitglieder kapitulieren, stärkt in keiner Weise die Position des Präsidenten.“ Auch Außenminister Kozyrew, dessen Rücktritt schon hundertfach herbeiorakelt wurde, gab zu verstehen: „Wenn es zu Gesprächen über die Preisgabe von Positionen kommen sollte, dann würde es auch einen anderen Präsidenten und einen anderen Außenminister geben.“ Klaus-Helge Donath