Sanssouci
: Vorschlag

■ „Die tanzende Kamera“

Tanz ist eine Bühnenkunst. Wird sie verfilmt, sieht und interpretiert die Kamera den Raum auf eigene Weise und kann so eine andere, ganz eigenartige Erfahrung des Tanzes vermitteln. Der Tanzfilm, nicht als dokumentarische Aufzeichnung eines Bühnenereignisses, sondern als eigene Kunstform, hat die entscheidenden Impulse in den achtziger Jahren aus Frankreich erhalten. Inzwischen gibt es vor allem in den westeuropäischen Ländern und den USA ein breitgefächertes Spektrum verschiedenster Produktionen. Eine der rar gesäten Möglichkeiten, diese vors Auge zu bekommen, bietet zur Zeit die Werkstatt Berlin mit der Tanz-Film-Video-Reihe „Die tanzende Kamera“. In drei abendfüllenden Programmen präsentiert sie in der Filmbühne am Steinplatz und dem Kino Babylon-Mitte unter anderem die auf dem Frankfurter Dance Screen Wettbewerb 92 preisgekrönten Videos „Rosa“ (Regie: Peter Greenaway, Ch.: Anne Teresa de Keersmaeker) und „Pull your Head to the Moon“ (Regie: David Rousseve/Ayoka Chanzira, Ch: D. Rousseve).

Eröffnet wurde die Filmreihe mit „Kontakt Triptychon“ (30 min.). Lutz Gregor, Filmemacher, und Dieter Heitkamp, Tänzer und Choreograph der Tanzfabrik Berlin, arbeiten seit Jahren eng zusammen. 1990 nahm Lutz Gregor Lektionen in Conact Improvisation, hielt sich im gemeinsamen Tanz die Kamera vors Auge, um so Bewegung bildlich zu erfahren. Wozu sich diese Erfahrungen weiterentwickelt haben, zeigt sein Film. Getanzt von vier TänzerInnen der Tanzfabrik, gelingt in „Kontakt Triptychon“ eine beeindruckende Verbindung von körperlicher und filmischer Bewegung, die das ewige alte Thema der Beziehungskämpfe mit Spannung auflädt. In „Goldberg Variations by J.S. Bach, played by Glenn Gould und improvised by Steve Paxton“ (27 min.) spielt Walter Verdin mit den gängigen Mitteln des Musikvideoclips. Seit dieser Aufzeichnung will Steve Paxton seine Performances zu J.S. Bachs „Goldberg Variationen“ nicht mehr fortsetzen. Wer das Video gesehen hat, versteht warum: die Annäherung zwischen der Musik und Paxtons höchst eigenwilligen Bewegungsinterpretationen ist von einer Dichte, an der man einen Endpunkt setzen sollte.

Das Programm des zweiten Abends bietet große Namen und harten Stoff. Mit „M ist for Man, Music, Mozart“ (29 min.) führt Peter Greenaway mit modernster Videotechnik eine Attacke auf die sinnliche Wahrnehmung. In „Rosa“ (13 min.) verzichtet er ganz auf seine spezifischen technischen Mittel und transponiert Anne Teresa de Keersmaekers Choreographie auf eine Weise in das Medium Film, die die hervorragenden tänzerischen Leistungen von Fumiyo Ikeda und Nordine Benchorf ins Zentrum rückt. Der einzige Fehlgriff der Reihe ist ausgerechnet der einzige lange, 90minütige Film: „Rei Dom“ (Regie und Choreographie: Jean-Claude Gallota) ist nicht nur mystisch überfrachtet und albern, wo er parodierend sein will, er spielt zudem mit Ekel und Grausamkeit auf eine Art, die zwei Drittel des Publikums nach zehn tapfer ausgehaltenen Minuten die Flucht ergreifen ließ.

Vielversprechend ist dagegen wieder das Programm des dritten Abends mit zwei Filmen aus den Ghettos „Pull your Head to the Moon“ (12 min.) und „Reckin' Shop“ (25 min.), ein Video über HipHop, den Straßentanz in Brooklyn. Michaela Schlagenwerth

Heute, morgen und am Montag um 20 Uhr (siehe Programmteil)