Gleichstellung der Opfer darf nicht das Ergebnis sein

■ Am Ort der Nazi-Verbrechen der Stalin-Opfer gedenken?/ Potsdamer Forum diskutierte über die Vorschläge der brandenburgischen Gedenkstättenkommission

Potsdam. Die Diskussionen um das Gedenkstättenkonzept für die ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen und Buchenwald gehen weiter. Die entscheidende Frage: Dürfen Gedenkstätten für die Opfer des Faschismus erweitert werden, um an gleicher Stelle auch der Opfer der sowjetischen Internierungslager zu gedenken, die nach 1945 in einigen Konzentrationslagern eingerichtet wurden? Wie kann der verordnete Antifaschismus der DDR, immerhin ein wesentlicher Bestandteil der DDR-Staatsideologie, kritisch aufgearbeitet werden, ohne das Gedenken an die Opfer des Faschismus zu schmälern?

Diesen Fragen stellten sich in einer Podiumsrunde im Potsdamer Schloßtheater Jürgen Dittbernern, Staatssekretär im brandenburgischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, sowie Robert W. Zeiler, der vor 1945 als Sozialdemokrat von den Nazis und ab Mai 1945 in einem Sonderlager der Sowjets zusammen mit Kriegsverbrechern interniert worden war. Der Problematik, daß eine gemeinsame Aufarbeitung von Faschismus und Stalinismus Gefahr läuft, Unvergleichbares nebeneinanderzustellen und Unrecht zu entschuldigen, waren sich alle Diskutanten bewußt.

Julius H. Schoeps, Historiker in Potsdam, verteidigte den Versuch, die Geschichte des Nationalsozialismus und des Stalinismus nicht weiter isoliert aufzuarbeiten. Beides gehöre zusammen und müsse mit „Augenmaß und ohne Ideologie und Plakate“ dargestellt werden. Wichtiger als statische Konzepte sei es, die Auseinandersetzung in den Köpfen anzuregen. Thomas Lutz vom Gedenkstättenreferat der Aktion Sühnezeichen warnte grundsätzlich davor, von Gedenkstätten das zu verlangen, was die Gesellschaft nicht leiste. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte dürfe nicht allein der Gedenkstättenarbeit aufgebürdet werden. Lutz kritisierte die Gleichsetzung von Rot und Braun, schließlich seien Internierungslager nicht ausschließlich ein Problem der Stalinisten gewesen – auch die West-Alliierten hätten Gefangenenlager unterhalten, in denen überwiegend Nazi-Verbrecher gefangengehalten worden seien. Der „Fokus“ für ein künftiges Gedenkstättenkonzept müsse daher eindeutig auf der NS-Geschichte liegen. Ehemalige KZ- Häftlinge seien besonders besorgt über Bemühungen in Deutschland, die Opfer des Holocaust mit denen sowjetischer Gefangenenlager gleichzusetzen. Daß in den sowjetischen Sonderlagern neben Kriegsverbrechern auch Unschuldige inhaftiert worden seien, werde von den Opfern des Nationalsozialismus als „internes deutsches Problem“ angesehen.

Der ehemalige KZ-Häftling Robert W. Zeiler, der nach 1945 drei Jahre lang von den Sowjets interniert worden war, weil man ihm vorwarf, ein amerikanischer Spion zu sein, brachte es am Ende der Debatte auf den Punkt: „Das wichtigste ist, daß wir das, was nach 1945 passiert ist, zurückführen auf das, was vor 1945 passiert ist. Wir haben den Krieg angezettelt, und man muß aufhören, Rechts gegen Links auszuspielen, um sich selbst zu entlasten.“ Rüdiger Soldt