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Torwart mit Fingerspitzengefühl

Bayern München – Karlsruher SC 3:3 (2:2)/ Dank Aumann siegte beim Galafußball im Olympiastadion die Gerechtigkeit  ■ Aus München Werner Steigemann

Verschnupft gab sich Christian Ziege nach dem Spiel. Aber nicht die Leistung seines Torwartes Raimond Aumann begründete seinen leidenden Blick, sondern ein realer Katarrh, den er sich bei seinem Einsatz für die Fußballnation in Albanien eingefangen hat, wo selbst die deutschen Elitekicker in jugendlichem Alter nach ihrem Länderspiel nur kalt duschen konnten. Lothar Matthäus verteidigte derweil atemlos seinen Freund Aumann.

Ex-Bayer und neuerdings KSC- Mittelfeldspieler Manfred Bender bedankte sich dagegen aufrichtig beim Bayern-Keeper für den geschenkten Punkt. Und selbst Torschütze Schütterle vom KSC bekannte, daß sein Weitschuß zum 3:3 aus gut 30 Metern Entfernung, trotz des glitschigen Bodens, eigentlich haltbar gewesen sei. Der so gefrotzelte Aumann gestand, es sei heute nicht sein Tag gewesen, und gab zur Entschuldigung die Weisheit kund, daß bei einem Torhüter die Fehler immer gleich ins Auge gehen bzw. der Ball ins Tor.

Aber es waren nicht allein die Fehlleistungen des Bayern-Tormannes, die ein hochklassiges und torreiches Bundesligaspiel ermöglichten. Es lag auch an den Spielern des KSC, die nicht, wie sonst im Olympiastadion üblich, den eigenen Strafraum abriegelten, sondern den Versuch starteten, selbst das Spiel zu bestimmen. Diese edle Absicht wäre fast bestraft worden. Die Bayern spielten in den ersten 30 Minuten, als wollten sie sich für die mangelhaften Heimleistungen der Vormonate bei jedem einzelnen Zuschauer entschuldigen. Von Libero Wouters bis zum Brasilianer Mazinho zeigten alle, Labbadia ausgenommen, daß man Tore nicht nur über Ecken oder Freistöße erzielen kann, sondern auch nach ansehnlichen Spielzügen.

Beim ersten Tor fing Wouters einen Angriff des KSC ab, lief mit dem Ball am Fuß bis zur Mittellinie, legte dort dem ebenfalls aufgerückten Kreuzer auf, der mit herrlichem Seitenwechsel dem diesmal guten Matthäus den Spurt in den Strafraum ermöglichte. Dessen Flanke verwandelte Mazinho zum 1:0. Auch das zweite Tor entsprang demselben Muster. Wieder war es Wouters, diesmal im Doppelpaß mit Scholl, der Ziege in den Lauf spielte. Der hatte Glück, daß der Torhüter des KSC, Oliver Kahn, den vom Pfosten abgeprallten Schuß per Kopf ins eigene Tor beförderte. Weitere sogenannte hundertprozentige Torchancen und ein vermeintliches Abseitstor spiegelten die technisch-taktische Meisterleistung der Bayern wieder. Selbst KSC-Trainer Winfried Schäfer verstummte auf seinem Bänkchen am Spielfeldrand und sinnierte über die Höhe der Niederlage.

Mehr aus Verzweiflung nahm er den überforderten Carl aus dem Spiel und brachte Valerij Schmarow. Der sollte den vom Schnupfen gezeichneten Ziege auf der linken Seite stoppen, doch dies war nicht mehr nötig, denn Ziege wurde von Minute zu Minute matter. Als er wieder seinen röchelnden Atemwegen Tribut zollte, erzielte Schmarow den Anschlußtreffer, der freilich haltbar erschien.

Aus war es mit der Bayernherrlichkeit, unsicher und nervös schlugen sie die Bälle aus dem eigenen Strafraum. Dennoch fiel der Ausgleich des KSC glücklich. Karlsruhes Bester, Kirjakow, tanzte Wouters aus und schlug den Ball nach innen, wobei er Kreuzers Hacke und von dort ins Tor traf. Jetzt glänzten die Karlsruher wie vorher die Bayern, und allein der Pausenpfiff rettete die Münchner vor einem Rückstand.

Die zweite Hälfte erreichte zwar nicht mehr ganz das Niveau der ersten 45 Minuten, doch ansehnlicher Fußball wurde dennoch geboten. In der 70. Minute durften die Zuschauer dann eine Energieleistung des Lothar Matthäus bewundern. Allein, wie in seltenen besten Tagen, umdribbelte er die halbe KSC-Abwehr und spitzelte den Ball über Torhüter Kahn hinweg zur 3:2-Führung. Die Südkurve feierte ihren Lothar, die Karlsruher waren geschockt, und Trainer Schäfer bejammerte die ungerechte Welt.

Nur ein Schwabe in den badischen Reihen wollte sich nicht mit dem Schicksal abfinden. Mit Hilfe von Aumann erzielte Rainer Schütterle kurz vor Ende den verdienten Ausgleich.

Einen Sieger, so platt es klingen mag, gab es aber doch: die Zuschauer. Die durften nämlich eines der besten Bundesligaspiele im Olympiastadion bewundern.

Karlsruher SC: Kahn - Nowotny - Metz, Reich - Schütterle, Carl (26. Schmarow), Rolff, Bender, Wittwer - Krieg (69. Schuster), Kirjakow

Zuschauer: 37.000; Tore: 1:0 Mazinho (13.), 2:0 Ziege (22.), 2:1 Schmarow (35.), 2:2 Kreuzer (41./Eigentor), 3:2 Matthäus (73.), 3:3 Schütterle (84.)

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