Sterntaler-Träume

■ Selbstbilder emanzipierter Frauen / Christel Dormagen: "Geld Macht Liebe. Frauen: Neue Unabhängigkeit, alte Gefühle"

Das Buch „Geld Macht Liebe“ präsentiert keineswegs, wie man fürchten könnte, eine weitere Untersuchung darüber, wie und wo Männer Frauen von lukrativen Posten fernhalten und von Machtpositionen ausschließen. Christel Dormagen richtet vielmehr den Blick auf die Frauen selbst: Wie machen sie das, daß auch heute noch, am Ende des 20. Jahrhunderts, Macht und Geld mit Männlichkeit assoziiert werden und aus dem Begriffstrio des Buchtitels nur die Liebe unmittelbar der weiblichen Hälfte der Menschheit zugeordnet wird? Und: Unter welchen Bedingungen – wenn überhaupt – lohnt es sich für Frauen wirklich, dies verändern zu wollen?

In einer abwechslungsreichen und erhellenden Sammlung von Lebensgeschichten, Interviews und eigenen Reflexionen geht Christel Dormagen diesen Fragen nach und sensibilisiert die LeserInnen zunehmend dafür, wie sich Geschlechterverhältnisse alltäglich in Fragen des Geldes und der Macht ausdrücken. Unberechenbar zu sein oder unbezahlbar, gar ein Geschenk – solche Zuschreibungen betreffen vor allem Frauen. Schon die Sprache verdeutlicht, daß Frauen traditionell von der aktiven Teilnahme an der Bezahlungsökonomie ausgeschlossen sind. Daran hat sich erst in den vergangenen Jahrzehnten etwas geändert. Im Mittelpunkt dieses Buches stehen also hochqualifizierte Frauen zwischen 25 und 50, darunter viele Journalistinnen, alle beeinflußt von der Frauenbewegung: außergewöhnliche, eigenwillige Frauen allesamt.

Doch fast keiner von ihnen ist es gelungen, den alten Unvereinbarkeitsbann zu überwinden, der mächtige und erfolgreiche Frauen mit Liebesentzug seitens der Männer bedroht. Faszinierend und bedrückend zugleich ist in Dormagens Buch nachzulesen, wie Frauen es anstellen, gar nicht erst in diese Zwickmühle zu geraten. Geld für Arbeit, gar viel Geld für viel Arbeit, wird von ihnen selbst immer noch als etwas ihnen nicht Zustehendes wahrgenommen. Erstarrt in der infantilen Sterntalerphantasie vom reinen Mädchen, das alles hergibt und buchstäblich nackt zurückbleibt, ohne je an eine Gegenleistung auch nur gedacht zu haben, und das dafür schließlich vom Himmel reich beschenkt wird, entwickeln sie Armuts- und Erfolglosigkeitsstrategien aller Art.

Dafür bot besonders die Frauenbewegung großartige Möglichkeiten; Selbstausbeutung im Dienste der Sache hielt rein, gar kein Geld zu verdienen, war das ideologisch einzig Akzeptable. Doch selbst nach der Überwindung einer Phase edler Armut funktioniert dieser Mechanismus noch. „Ich habe mich immer gefragt, warum ich zu nichts komme, obwohl ich Tag und Nacht arbeite“, sagt eine 50jährige. „Es ist einfach so, daß mir nur das Spaß macht, was mir geschenkt wird. Das ist die Kind- Position: Man bekommt etwas geschenkt, und die Überraschung besteht darin, daß man dafür nichts tun muß. Man wird einfach geliebt.“ Selbstverdientes Geld aber ist kein Liebes-Geld und damit nachhaltig entwertet. So schlagen sich bis heute hochqualifizierte Frauen unterbezahlt durch und nutzen ihre Chancen zum Aufstieg nicht. Statt dessen träumen sie vom Lottogewinn oder davon, „entdeckt“ zu werden, vom geschenkten Talersegen also. Sollten sie überraschenderweise plötzlich doch einmal viel Geld verdienen, inszenieren sie Katastrophen aller Art, um schnellstmöglich wieder in den sicheren Hafen der finanziellen Pleite und beruflichen Unsicherheit einzulaufen. Die Angst, die hinter all diesen Vorkehrungen steckt, formuliert eine Enddreißigerin: „Wenn wir nicht provisorisch sein wollen, müssen wir vermännlichen.“

Erfolg plus Geld gleich Vermännlichung gleich Verlust der Liebe der Männer. Über diese Gleichung wäre zu streiten, zumal sie, als Klage, die öde patriarchalische Definition der Geschlechterbeziehungen fortschreibt. Was ist das für eine Liebe, deren Bedingung darin besteht, daß die Frau klein, schlechtverdienend und machtlos genug ist, um das verletzliche Männer-Ego nicht zu verschrecken? Wer will noch eine Liebe, die den Blick von oben nach unten braucht, um zu existieren? Außer den Männern, das legt dieses Buch nahe, wollen das selbst die Frauen, die die Rolle des Muttchens am Herd, jedenfalls äußerlich, weit hinter sich gelassen haben.

Studium, Promotion, es nützt alles nichts: Die innere Beziehungsökonomie läßt die Frauen vor allem zurückschrecken, was sie zu einem Gegenüber auf gleicher Höhe machen könnte. Gleichheit und das Streben danach erscheinen Christel Dormagen freilich ohnehin als eine perfide Falle der Männergesellschaft. Glück nämlich lasse sich auf diesem Weg nicht finden. Im Gegenteil: Den Männern geht es besser denn je, sie sind, so sieht es die Autorin, die „endgültigen Emanzipations-Gewinnler“, sorgen doch die Frauen inzwischen auch noch selbst für Einkommen und Verhütung. Die Frauen jedoch werden zerrissen zwischen mannigfachen Anforderungen. Zudem müssen sie feststellen, daß die Bereiche, die sie sich mühselig erobert haben, von den Männern gerade wegen mangelnder Zukunftsträchtigkeit freiwillig geräumt werden. Und schließlich glaubt Christel Dormagen Belege dafür gefunden zu haben, daß Männern Karrieren ohnehin nicht mehr besonders am Herzen liegen: Zeit wird zum neuen Statussymbol, und die haben berufstätige Frauen auf dem Weg nach oben nie. „Die Häsin rennt sich tot, die Igel steigen aus.“ Was also tun? Über den reichen Ehemann zu Geld kommen und als Hausfrau und Mutter die tägliche Liebesration sicherstellen? Macht und Geld erreichen und zu Hause einen wenig verdienenden, aber liebenden Dichter durchfüttern? Beruflich erfolgreich sein und von dem Mann, der dem gewachsen wäre, nur noch träumen?

Die Frauen, die zum Thema „Geld Macht Liebe“ zu Wort kommen, haben solche Versuche unternommen, die Quadratur des Kreises zu bewerkstelligen. Die Autorin selbst hingegen plädiert für eine Abkehr vom „alles vernichtenden Gleichheitsprinzip“, für einen Ausstieg aus dem „Wahnsystem des Vergleichens und Hortens und Absicherns“. An seine Stelle möchte sie, innerhalb eines Clans Gleichgesinnter, eine Ökonomie des verschwenderischen Schenkens setzen, um der vielgeschmähten weiblichen Fähigkeit zur Unberechenbarkeit, zum nicht berechnenden Lieben und Geben wieder zu ihrem Recht zu verhelfen.

Also doch zurück zu Sterntaler, zur großen Gebenden, zu freudigem Sich-Verausgaben? Das unbändige Lachen, das Christel Dormagen als Lohn verspricht, wird uns spätestens vergehen, wenn die männlichen Clanmitglieder freundlich winkend mit dem selbstlos Verschenkten davonziehen, und der Sterntalersegen ausbleibt. Ich wünschte mir ein zweites, ebenso zu neuen Überlegungen inspirierendes Buch von Christel Dormagen, das genau an dieser Stelle ansetzt und neuen Definitionen von Glück und Liebe nachgeht. Wäre doch möglich, daß es längst nicht mehr ein Prinz sein muß.

Christel Dormagen: „Geld Macht Liebe. Frauen: Neue Unabhängigkeit, alte Gefühle“. rororo, Reinbek bei Hamburg 1992, 12,80DM