Flüchtlingsheim in Eberswalde angezündet

■ Wieder schwere Anschläge von Rechtsradikalen am Wochenende/ Neonazis schneiden 14jährigem Mädchen in Bautzen Hakenkreuz in die Wange

Berlin/Bautzen (taz) – Offensichtlich unbeeindruckt von Verboten und verschärften Anklagen gegen rechte GewalttäterInnen, verübten Neonazis erneut Anschläge in Ost- und Westdeutschland. In Eberswalde bei Berlin brannte in der Nacht zum Sonntag eine von drei Baracken des dortigen Asylbewerberheims ab. Die AsylbewerberInnen wurden teils bei deutschen Familien, teils in den beiden anderen Baracken untergebracht.

Der brandenburgische Innenminister Ziel sprach am Sonntag vor Ort vom „Verdacht auf schwere Brandstiftung“. Ein Heimbewohner will gesehen haben, wie ein Mann eine Brandflasche in die Baracke warf. Das Eberswalder Heim ist mehrfach angegriffen worden, zuletzt vor drei Wochen mit einem Brandanschlag. Unweit des Heims war Ende 1990 der Angolaner Amadeu Antonio von Neonazis ermordet worden.

Bereits am Mittwoch wurde im sächsischen Bautzen die vierzehnjährige Dominique K. von zwei bisher noch unbekannten Neonazis brutal mißhandelt. Die Glatzköpfe schnitten der Schülerin mit einem Butterfly-Messer ein handtellergroßes Hakenkreuz in die Wange. Sie hatten dem Mädchen vor deren Wohnung aufgelauert und gedroht: „Du linke Schlampe! Wenn du dich nicht entscheidest, rechts zu sein, machen wir dich alle.“ Dominique K. hatte ein Palästinensertuch getragen. Auf den Bomberjacken der Täter erkannte das Opfer Hakenkreuze und „Ausländer raus“-Parolen.

Das sächsische Landeskriminalamt informierte erst am vergangenen Freitag über die Tat. Für Hinweise zu den beiden etwa siebzehnjährigen Tätern hat die Staatsanwaltschaft Bautzen zweitausend Mark ausgesetzt.

In Marktredwitz in Oberfranken stach ein 38jähriger Deutscher mit einem Messer auf einen 19jährigen Türken ein und verletzte ihn. Im Jugendzentrum der Stadt hatten sich Türken und eine Gruppe rechter Skinheads gestritten, bis der Deutsche aus der Skin-Truppe das Messer zog. Der Täter wurde festgenommen und wegen versuchten Totschlags dem Haftrichter vorgeführt.

Mit Signalmunition schossen in der Nacht zum Sonntag in der Nähe eines Asylbewerberheims in Hannover Rechtsradikale auf mehrere LibanesInnen. Verletzt wurde niemand. Die Polizei nahm bei der anschließenden Durchsuchung einer nahegelegenen Wohnung insgesamt neun Deutsche vorübergehend fest. Im niedersächsischen Lingen warfen Unbekannte am frühen Sonntag morgen zwei Molotowcocktails auf ein Asyl-Heim.

Unklar ist, ob die über fünfstündige Straßenschlacht zwischen etwa 80 Jugendlichen und schließlich 180 Polizisten Freitag nacht im Leipziger Stadtteil Connewitz politische Hintergründe hat. Die Krawalle entzündeten sich nach Darstellung der Polizei daran, daß Beamte zwei randalierende Jugendliche festnehmen wollten, worauf sie von 30 anderen mit Baseballschlägern, Steinen und Brandflaschen angegriffen wurden. Die Polizisten hätten dann zwei Warnschüsse abgegeben. Ein Schuß traf einen Jugendlichen in die Hüfte.

Ein Augenzeuge berichtete demgegenüber der taz, die Schüsse seien der Auslöser für die anschließenden Auseinandersetzungen gewesen. Sie seien entweder bei dem Versuch der Polizei, ein besetztes Haus zu räumen, gefallen oder in einem Jugendtreffpunkt, wo Polizisten Jugendliche festnehmen wollten, die nach Angaben von Nachbarn Scheiben eingeworfen haben sollten.

41 Jugendliche wurden festgenommen. Gegen 25 wurden Haftbefehle erlassen, ermittelt wird wegen Landfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Körperverletzung. Die Zahl der insgesamt verletzten Jugendlichen ist unbekannt. Auch Unbeteiligte seien von Polizisten mit Knüppeln zusammengeschlagen worden, berichtete der taz-Augenzeuge. 21 Polizisten wurden leicht verletzt, zwei schwer.

Mehr als 50 Durchsuchungen bei der Nationalistischen Front

Die brandenburgische Polizei durchsuchte am Wochenende 21 Wohnungen und Geschäftsräume führender NF-Mitglieder mit Schwerpunkt in Potsdam, Schwedt, Kremmen und Oranienburg. Zwei Personen wurden festgenommen, in einem Fall wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags in Gang gesetzt.

Die Durchsucher fanden umfangreiches Beweismaterial: neben Waffen, wie Schreckschuß- und Gaspistolen und Messern auch NS- Propagandamaterial, SS-Flaggen, Videos von rechtsradikalen Aufmärschen. In fünf Berliner Wohnungen stellten Staatsschutzbeamte ebenfalls Waffen und Nazi- Materialien sicher. Außerdem beschlagnahmten sie ein Bankkonto, auf das Geld für die verbotene Organisation floß.

In Bayern wurden acht Objekte durchsucht, in Baden-Württemberg eins, in Bremen und Niedersachsen je drei. Begonnen hatte die Aktion bereits am Freitag mit der Durchsuchung der NF-Zentrale im westfälischen Detmold. Wo NF- Gründer Meinolf Schönborn steckt, ist nicht bekannt.

Im brandenburgischen Calau bei Cottbus nahm die Polizei insgesamt 18 Jugendliche fest, die trotz Verbots eine rechtsextremistische Kundgebung der „Nationalen Offensive“ abhalten wollten.

In Bautzen erließ die Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen sieben rechte Gewalttäter, die sich an einem Überfall auf eine Pizzeria beteiligt hatten. Bettina Markmeyer/Detlef Krell