Gegen Beratungszwang für Zivis

Bundestreffen der Totalverweigerer verlangt ein neues Beratungskonzept/ Wehrungerechtigkeit zwischen Soldaten und Zivildienstleistenden angeprangert  ■ Aus Freiberg/Sachsen Detlef Krell

Zivildienst arbeite der Bundeswehr zu. Aus diesem Grund sollte die Beratung von Kriegsdienstverweigerern in der bisher praktizierten Form eingestellt werden. Darauf haben sich Totalverweigerer beim vierten Bundestreffen am Wochenende in Freiberg/Sachsen verständigt. Außerdem verlangten sie die Abschaffung des Wehrdienstes.

Nicht über den Zivildienst als „waffenlosen Kriegsdienst“ sollte beraten werden, sondern über Wehrpflicht in einer Zeit, da alte Feindbilder zusammengebrochen sind und die Bundeswehr in der Legitimationskrise steckt. Dieser Konsens war Ergebnis eines mehr als einjährigen Diskussionsweges unter den totalen Verweigerern, erklärte Uwe Ulsamer aus Emden zum Abschluß des Treffens. Die Totalverweigerer wollen nun mit der Deutschen Friedensgesellschaft, den Kirchen und allen TrägerInnen von Beratungsstellen über neue Beratungsmodelle sprechen. Bisher vertrete die Deutsche Friedensgesellschaft „noch keine effiziente Position“ in der Debatte. Viele Beratungsstellen würden aber schon versuchen, nach einem neuen Konzept zu arbeiten und „radikalen Antimilitarismus“ zu vertreten.

Erst durch den Zivildienst würden moderne Kriege führbar werden, erklärten die Teilnehmer. Zur Verhinderung von Kriegen sei deshalb die Verweigerung aller Kriegsdienste notwendig. Zudem würde der Einsatz von Zivis den Pflegenotstand „katastrophal verschärfen“. Es sei höchste Zeit, an ihrer Stelle qualifizierte Fachkräfte im sozialen Bereich einzusetzen. Uwe Ulsamer verwies gegenüber der taz auf die „Wehrungerechtigkeit“ seit der deutschen Einheit. Zwar werde die Bundeswehr personell abgemagert, und nur jeder zweite bis dritte Wehrpflichtige müsse mit seiner Einberufung rechnen. Andererseits würde aber fast jeder Zivi zum Dienst gezogen.

Die Zahl aktiver Totalverweigerer schätzte Ulsamer bundesweit auf etwa 200. Auffallend sei, daß die Justiz zunehmend auf Haftstrafen ohne Bewährung verzichte und statt dessen Bewährungs- oder Geldstrafen verhänge. „Mit unveränderter Härte“ gegen die Verweigerer setze die Bundeswehr weiterhin auf Abschreckung. Ulsamer selbst habe in einer schleswig-holsteinischen Kaserne eine zweieinhalbmonatige Arreststrafe unter verschäften Bedingungen abgesessen.

Die Teilnehmer des Freiberger Treffens fordern die sofortige Freilassung von Christoph Herrmann, der bei Itzehoe arretiert ist, und von Frank Buschmann, der bei Goßlar sitzt, sowie Einstellung aller Verfahren gegen Totalverweigerer.

Frankfurt/M. (dpa/taz) – Die SPD möchte den Zivildienst von derzeit 15 auf zwölf Monate verkürzen. Auf die Gewissensprüfung sollte generell verzichtet werden, heißt es in einem Gesetzentwurf, den die SPD-Bundestagsfraktion nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung jetzt eingebracht hat.