■ In den Kernfragen einer Asylrechtsänderung konnten sich die Verhandlungsführer von Regierungskoalition und Sozialdemokraten gestern nicht einigen. Die SPD verteidigt das einklagbare Individualrecht auf Asyl.
: Asyl: Sozis bleiben noch standhaft

SPD-Fraktionschef Hans- Ulrich Klose versuchte, aus der Niederlage einen Sieg zu machen. „Wenn wir uns wie durch ein Wunder in zwei Tagen geeinigt hätten, hätte man uns zu Recht vorwerfen können: Warum habt ihr das nicht schon früher gemacht?“ witzelte er gestern nachmittag nach der Bonner Asylklausur. Noch am Freitag, vor Beginn der dreitägigen Verhandlungen, hatte das anders geklungen. Da hatte Klose mit ernster Miene erklärt, er hoffe auf eine Einigung bis Sonntag.

Am fehlenden Aufwand an Zeit und politischer Prominenz kann es nicht gelegen haben, daß die rasche Einigung nicht glückte. Stets tagte die Runde bis in die späte Nacht, und auch am Sonntag versammelten sich die Unterhändler schon früh um 8.30 Uhr in der baden-württembergischen Landesvertretung. Mit Wolfgang Schäuble (CDU), Hermann Otto Solms (FDP) und SPD-Mann Klose waren drei Fraktionschefs dabei, mit Innenminister Rudolf Seiters (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zwei Regierungsmitglieder und obendrein noch drei Regierungschefs aus den Bundesländern: Hausherr Erwin Teufel (CDU) sowie die SPD-Ministerpräsidenten Gerhard Schröder aus Niedersachsen und Rudolf Scharping aus Rheinland-Pfalz.

Auch an Bekundungen des guten Willens fehlte es nicht. Das fehlende Ergebnis habe „nichts damit zu tun, daß wir uns nicht alle Mühe gegeben haben“, beteuerte Schäuble. Wie deutlich die Asylklausur dennoch gescheitert war, zeigte sich daran, daß gestern keiner mehr den Mut zu Prognosen hatte. „Ich glaube nicht, daß wir am Mittwoch ein abschließendes Ergebnis haben“, bekannte Schäuble. Wenigstens noch vor Weihnachten? Auch dieser Frage wich der Fraktionschef aus. „Möglichst früher als später“ müsse es die Einigung geben.

CSU-Landesgruppenchef Wolfgang Bötsch bekannte ganz offenherzig, die Meinungsverschiedenheiten hätten sich nur in den weniger wichtigen Fragen „aufgelöst“. In den „wirklich wichtigen Fragen“, so Bötsch, da habe sich seine „gesunde Skepsis“ bestätigt. Vor allem die SPD, so wurde gemunkelt, sei an den Punkten hart geblieben, die für CSU und CDU als besonders wichtig gelten. Die Sozialdemokraten wollten das Grundrecht auf Asyl, das für jeden Flüchtling einklagbar ist, nicht preisgeben. Länderlisten angeblich sicherer Staaten, für viele in der SPD kein Tabu mehr, wollten die Sozialdemokraten getreu ihrem Parteitagsbeschluß ebenfalls nicht akzeptieren. Auf Widerstand der Sozis stieß auch der Plan von Innenminister Rudolf Seiters (CDU), die meisten abgelehnten Antragsteller sofort auszuweisen und sie so zu zwingen, eine Klage vom Ausland aus zu betreiben.

Die SPD-Unterhändler wollen bis Mittwoch mit ihrer Fraktion mögliche Kompromißlinien ausloten. CDU und CSU verzichteten dennoch auf öffentliche Schuldzuweisungen. Selbst CSU-Mann Bötsch räumte indirekt ein, daß das Grundgesetz selbst eine zu drastische Aushöhlung des Grundrechts auf Asyl nicht zulasse. Es gebe zwei Risiken meinte er: daß die beschlossenen Maßnahmen nichts bewirken oder aber daß sie verfassungsrechtlich nicht möglich sind. „Die Fragen, die wir noch klären müssen“, so auch Schäuble, „haben viel mit Verfassungsrecht zu tun.“ Formulierungsvorschläge müßten deshalb von Verfassungsrechtlern geprüft werden.

So scheint die Asylklausur zumindest den Bildungsstand der Teilnehmer zu erhöhen. Zu den wenigen Neuigkeiten gehörte Schäubles Wortwahl. Er sprach nicht vom „Asylproblem“, sondern von der „Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung“, über die man sich einigen müsse. Es sei nicht nur über den Artikel 16 GG und seine Änderung gesprochen worden, versicherte Klose, sondern „über das ganze Paket Zuwanderung“: Einwanderungsgesetz, Einbürgerung, Aussiedler. Hans-Martin Tillack, Bonn