CDU-Fahrplan für den Abbau der Grundrechte

■ Seiters geplante Grundrechte-Aberkennung fügt sich nahtlos in die Pläne, weitere Gesetze zu verschärfen/ Neuauflage alter Rechtsprojekte

Berlin (taz) – Wenn Bundesinnenminister Rudolf Seiters derzeit prüft, ob Neonazis die Grundrechte entzogen werden können, kann er sich des Beifalls der Rechts- und Innenexperten der Union sicher sein. Seine Überlegungen fügen sich nahtlos in deren Bestrebungen, den Rechtsstaat aufzurüsten. Seiters selbst stellte einen Katalog auf, welche gesetzlichen und administrativen Regelungen verschärft werden sollen.

Rechtsradikale Ausschreitungen, „Asylmißbrauch“ und Rauschgiftkriminalität nahm der Minister Ende September zum Anlaß, um vor der Bonner Unionsfraktion „Initiativen für eine wirksamere Verbrechensbekämpfung“ einzuklagen. Die Maßnahmen, die er dazu fordert, erweisen sich als rechtspolitische Projekte, die nach dem Willen der Union schon vor Jahren umgesetzt werden sollten.

Seiters Katalog sieht vor, „vor dem Hintergrund jüngster Erfahrungen“ den Landfriedensbruch- Paragraphen zu verschärfen. Gewalttätern soll erschwert werden, „aus einer selbst keine Gewalttaten begehenden Menge heraus zu handeln bzw. in dieser Menge unterzutauchen“. Nahezu wortgleich hat die Union dies schon bei Auseinandersetzungen um AKW- Standorte oder bei Hausbesetzerdemonstrationen gefordert.

Das Haftrecht soll verschärft werden, „um des Landfriedensbruchs dringend Tatverdächtige bei Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft nehmen zu können“. Eine ähnliche, heftig umstrittene Regelung (der „Unterbindungsgewahrsam“) wurde von Bayern beim Bau der geplanten WAA verabschiedet. Andere Bundesländer verweigerten bisher die Übernahmen dieser Regelung.

Seiters Überlegungen sehen weiter vor, daß „die Möglichkeiten des Versammlungsgesetzes für ein befristetes und räumlich geltendes Demonstrationsverbot konsequent genutzt werden“. Auch das haben CDU und CSU wiederholt eingeklagt – sie scheiterten damit aber am hohen Stellenwert, den das Bundesverfassungsgericht dem Demonstrationsrecht einräumt. Seiters Forderungen flossen in einen Entschließungsantrag zur Inneren Sicherheit ein, den die CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 6. Oktober verabschiedete. Auch hier wird der Einsatz verdeckter Ermittler, die Ermächtigung zum „großen Lauschangriff“, die Ausweitung der „Sicherungshaft“ und eine „praxisgerechte Ausgestaltung des Tatbestandes des Landfriedensbruches“ angemahnt. Last but not least fordern die Unionspolitiker den „beschleunigten Aufbau des Verfassungsschutzes in den neuen Länder und den Aufschub des Stellenabbaus in den alten Ländern“.

Ein weiteres Lieblingsprojekt der CDU/CSU-Rechtsexperten soll im Schatten der Rechtsrandale seinen Weg nehmen: Entgegen dem im Grundgesetz verankerten Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdienst soll der Verfassungsschutz die Vorfeldbeobachtung bei der organisierten Kriminalität übernehmen.

Praktiker verfolgen den gesetzgeberischen Aktionismus der Union skeptisch. So glaubt etwa der Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, mit dem bestehenden gesetzlichen Instrumenten auszukommen: „Im Augenblick müssen wir die bestehenden Gesetze nachdrücklich anwenden. Schnelle Fahndungserfolge und nachdrückliche Bestrafungen gewährleisten aus meiner Sicht am besten die Abschreckung.“ Gegen eine Gesetzesverschärfung haben sich auch der SPD-Rechtsexperte Willfried Penner und die Grünen- Politikerin Antje Vollmer ausgesprochen. „Falsch“ nannte Penner, nun die Gesetzesmaschinerie anzuwerfen: Das Schließen „eingebildeter Lücken“ in der Gesetzgebung werde die SPD nicht mitmachen. Vor einer Überreaktionen warnte auch Vollmer. Im Kampf gegen den Rechtsextremismus komme es auf die demokratische Selbstsicherheit und Standfestigkeit der Gesellschaft an. Eine „Militarisierung des Staates nach rechts“ dürfe es nicht geben. Wolfgang Gast