„Wir sind hier ein netter Haufen!“

■ 25 Jahre Kirchenmusikerin in der Neuen Vahr: Christine Borrmann macht weiter

hier das Bild von der

rundlichen Frau mit Brille

Christine Borrmann, Kirchenmusikerin Foto: Katja Heddinga

Seit 25 Jahren ist Christine Borrmann (46) Kirchenmusikerin in der Dreifaltigkeitsgemeinde, im Bremer Stadtteil Neue Vahr. Ihr Dienstjubiläum ist zugleich das Jubiläum des Gemeindezentrums, das erst lange nach dem Krieg im Neu

baugebiet des Bremer Ostens entstanden ist.

Als 21jährige Organistin begann Christine Borrmann ihre Arbeit in einer hölzernen Notkirche. Heute leitet sie mehrere Chöre, organisiert kirchliche und „weltliche“ Konzerte und kann zufrieden auf eine Gemeindemusikszene blicken, die unter ihrer Regie entstanden ist.

„Ja, ich bin als eine Art Urmutter in der Dreifaltigkeitsgemeinde geblieben. Ich nehme Teil an 'Freud und Leid' der Menschen in der Vahr. Viele, die in meinem ersten Kinderchor waren, schicken mir jetzt ihre eigenen Kinder. 25 Jahre..., wenn ich was anderes machen wolle, dann wäre es Zeit. Aber ich habe mich fürs Bleiben entschieden, und ich glaube nicht, daß das nur Bequemlichkeit ist. Es ist ja so, daß ich den Stadtteil mit Musik versorge. Den Gedanken, daß hier etwas zusammenbrechen könnte, den könnte ich nicht ertragen.

Am Anfang gab es hier nichts, abgesehen von einigen 'Flötenkindern'. Kein Gemeindezentrum, vor 30 Jahren haben hier ja noch die Kühe geweidet. Ich war 21 und hatte neben dem Studium die Gottesdienste in der hölzernen Notkirche begleitet. Dann fragte man mich: willst du hier nicht weiterorgeln? und ich wollte. Ich fand es spannend, in völliger Freiheit anfangen zu können. Als erstes haben wir uns um die Kinder gekümmert, denn: an die Erwachsenen kommt man über die Kinder ran. Obwohl - ich will die Menschen nicht in die Kirche 'locken', ich will ihnen Freude vermitteln, über die Musik.

Anfang der 70er Jahre, als Blockdiek und Dreifaltigkeit sich zur Kantorei ZWEI zusammenschlossen, haben wir mit der musikalischen Früherziehung begonnen, das war damals noch etwas ganz Neues. Blockflötenunterricht, Notenlernkurse, der obligatorische Posaunenchor und der Kinderchor. Und natürlich unser Frauenchor, das waren oft die Mütter der Kinder aus der Früherziehung. Für die war der Chor eine Emanzipation, da gingen sie hin, wenn die Männer ihre Skatabende hatten. Einige der Frauen sitzen jetzt in den Gemeindegremien.

Insgesamt kommen die Menschen, mit denen ich Musik mache, aus intakten Familien, auch Männer inzwischen, für den gemischten Chor. Ausländer sind nicht dabei. Die trauen sich nicht so recht, klar, da gibt es meistens religiöse Barrieren.

Ich wollte nie einen typischen Kirchenchor haben, der sich von Woche zu Woche durch irgendwelche Choräle quält. Wir singen Folklore, Madrigale, alle möglichen 'weltlichen' Lieder. Danach besteht ein großes Bedürfnis. Es gibt bei uns auch Tanzfeste, weil die Wohnungen in der Neuen Vahr allgemein sehr klein sind. Durch die stadtteilbezogene Gemeindearbeit waren die Vahrer Gemeinden lange Zeit als links verschrien. In der Christusgemeinde zum Beispiel ist statt eines hauptamtlichen Organisten ein Sozialarbeiter eingestellt worden. Erst war ich auch dagegen, aber ich sehe längst: es war dringend nötig, daß sich jemand um die Außenseiter in der Gemeinde kümmerte.

Doch, ich bin außerordentlich zufrieden mit meinen Arbeitsmöglichkeiten. Auch die Zusammenarbeit unserer drei Gemeinden ist ausgezeichnet. Große Konzerte sind so möglich. Die Konkurrenz, die in Innenstadtgemeinden nicht gerade unüblich ist, die haben wir nicht. — Wirklich, wir sind hier ein netter Haufen!“ Cornelia Kurth