Sanssouci
: Nachschlag

■ East Side Gallery, Augenweide der Fremden

Es war nie für die Ewigkeit gemeint: Als Rainer Uhlmann 1989 der Wirtschaft einen Streifen der Berliner Mauer als Werbeträger anbot, ging es im Stadteil Friedrichshain um eine vorübergehende Nutzung der unnütz gewordenen Mauer, gewissermaßen um die westliche Variante der Verschönerung. Die Stralauer Allee als Billboard Boulevard. Nur, die blöde Mauer wollte niemand mieten.

Wie so oft, wurden die Künstler auf den Plan gerufen, is' bunt und kostet nüscht. So entstand die East Side Gallery, der englische Name eine Anspielung auf den Anspruch, die Themen „Völkerverständigung und Toleranz, Liebe und Frieden“ zu illustrieren. So sieht sie dann auch aus, mit Verlaub: jenes wüste Konglomerat von politischer Karikatur bis zum Pseudo-Dali, mit dem Künstler(innen) – von, na, sagen wir: nicht gerade ausuferndem Innovationsdrang – uns seit Jahrzehnten genervt haben, in Ost und West, glücklicherweise in kleineren Formaten und auch nicht unbedingt Freiluft. Der Impuls, einer politischen Direktive zu folgen, ist zudem spürbar; die East Side Gallery ist so etwas wie die Pop-Variante bestellter sozialistischer Kunst, nach Parzellen abgemessen wie die Grundstücke der Datschen. Natürlich gut gemeint. „Die Rückseite hätten wir auch noch vollbekommen“, sagt der Organisator. Kein Zweifel.

In Erinnerung alter Allianzen ist es dann gar nicht so wunderlich, wenn ausgerechnet ein CDUler, der Vorsitzende des Kulturausschusses des Abgeordnetenhauses, Dieter Biewaldt, sich für den Erhalt des Bilderbogens stark macht. Obwohl es schon etwas merkwürdig klingt, wenn er sagt (Zitat AFP): Gerade für Fremde ist die East Side Gallery ein guter Anlaß, über Berlin nachzudenken – also: Uns bewegen die Riesenbilder der damals riesig bewegten Künstler eigentlich nicht die Bohne, aber für die Fremden ist es dann immer noch gut genug?

Was dort geleistet worden ist, ist nicht einmal vergleichbar mit den murals der hispanischen Künstler auf der New Yorker Lower East Side, von der sich die Friedrichhainer Meile den Namen geborgt hat. Die Mauerbemalung ist eine spontane Aktion gewesen, aus dem Moment für den Moment. Es ist keine Kunst am Bau. Es gibt keinen Grund, Vorbeikommenden und Anwohnern diese Bilder (und damit die Mauer) für Jahrzehnte aufzuzwingen.

Natürlich ist es nicht das, was das Abgeordnetenhaus bewegt, als der Fortbestand der East Side Gallery in der letzten Woche auf der Tagungsordnung stand; es geht um die stadtplanerischen und kommerziellen Interessen an dem Ort. Aber die biedere Politmalerei wird immer wieder mit aller Selbstverständlichkeit ins Feld geführt, wenn es um die Bewahrung des Status quo geht. Tatsächlich muß die biedere Politkunst herhalten für eine Nostalgie, die sich am deutschen Riß festmacht. Das originale Stück Mauer, das die Befürworter musealer Stadtgeschichtsschreibung erhalten haben wollten, ist die East Side Gallery ohnehin nicht mehr, eben wegen der Malerei.

Die Sache ist vom Ältestenrat zurückverwiesen worden an die Ausschüsse für Stadtentwicklung und Kultur. Hoffentlich wird da nicht nur an die Fremden gedacht. Ulf Erdmann Ziegler