300 Mark für Synanon

■ Ex-Obdachloser wegen 0,48 Gramm Haschisch vor Gericht

Moabit. Auch wenn es die Rechtsprechung offiziell nicht wahrhaben darf, gibt es am Gericht in Moabit ein ungeschriebenes Gesetz: In der Regel wird niemand wegen des Besitzes von Haschisch angeklagt, zumindest wenn es die Menge von fünf Gramm nicht übersteigt. Über eine Ausnahme dieser Regel wurde gestern in Moabit verhandelt. Bei dem 30jährigen Axel B., kurz auch „Akki“ genannt, fanden Polizeibeamte im September 1990 während der Räumung einer besetzten Weddinger Obdachlosenunterkunft in seiner linken Jackentasche ein Etui, das eine „bräunliche Substanz“ enthielt. Die Substanz war Haschisch und wog gerade mal 0,48 Gramm.

Gut zwei Jahre nach dem Fund in seiner Jackentasche rollte die Staatsanwaltschaft den Fall gegen den ehemaligen Obdachlosen „Akki“ auf. Zwei „glücklichen Umständen“ verdankt es die Justiz, daß es dazu überhaupt kommen konnte. „Akki“ hatte inzwischen eine Wohnung gefunden und sich ordnungsgemäß gemeldet. Der lange Arm des Gesetzes wußte jetzt, wohin er die Anklageschrift zustellen konnte. Zudem hatte sich „Akki“ bei den Polizeivernehmungen im September 1990 als ehrliche Haut erwiesen. Freiweg hatte er dabei zugegeben, daß er seit gut zwei Jahren dem Haschisch-Konsum frönte und 40 Mark in der Woche dafür ausgebe – offenbar Grund genug für die Staatsanwaltschaft, „Akki“ auf die Anklagebank zu setzen.

Ernüchternd verlief dann aber für die Staatsanwaltschaft der Prozeß: „Akki“ verweigerte die Aussage. Ebenso konnte nichts über die geheimnisumwitterte Figur „Mantz“ ans Licht gebracht werden, der laut „Akkis“ Aussage bei der Polizei ihm manchmal Cannabis-Harz geschenkt hatte. Nach einem kurzen Zwiegespräch zwischen dem Richter und den beiden Anwälten wurde das Verfahren schließlich eingestellt. Und dabei bleibt es, wenn es „Akki“ nicht versäumt, die ihm auferlegte Geldbuße zu zahlen: 300 Mark an Synanon. rak