70 Millionen Mark gegen den Rassismus

■ Koalition beschließt „Anti-Gewalt-Programm“/ Nach NF-Verbot: SPD-Chef warnt vor anderen Rechtsextremisten

Berlin. Geld gegen Rechts: Die Große Koalition hat sich kurzfristig entschlossen, ein Sonderprogramm gegen den Rassismus aufzulegen. Mit 70 Millionen Mark soll Sozialarbeit gegen die immer mehr um sich greifende Gewalt finanziert werden, berichtete gestern SPD-Chef Ditmar Staffelt. Der Etat soll in dieser Woche im Rahmen der Haushaltsdebatte beschlossen werden. Genaueres wollte der SPD-Landesvorsitzende nicht sagen, weil er gemeinsam mit den Fraktionschef der CDU, Klaus-Rüdiger Landowsky, heute eine gemeinsame Pressekonferenz zu dem Thema veranstalten werde.

Nach Informationen der taz sollen mit dem Geld Jugendfreizeitstätten instandgehalten und neugebaut werden. Die Arbeit von Streetworkern soll stärker als bisher gefördert und im kommenden Jahr auslaufende ABM-Projekte weiterfinanziert werden. Auch sollen die Öffnungszeiten bestehender Freizeiteinrichtungen an Wochenenden verlängert werden. In diesem Jahr stehen der Jugendarbeit in Berlin insgesamt 150 Millionen Mark zur Verfügung. Erst im Mai bewilligte das Abgeordnetenhaus das Sonderprogramm „Jugendgruppengewalt-Bericht“ in Höhe von zusätzlich 5,4 Millionen Mark. Aus dem Programm werden unter anderem 45 Streetworker bezahlt.

Zum Verbot der rechtsextremen „Nationalistischen Front“ (NF) und anläßlich der Durchsuchungen bei vier ihrer Mitglieder in Berlin, sagte Staffelt, daß er Organisationen wie die „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) oder die „Deutsche Alternative“ (DA) für genauso gefährlich halte. „Das ist alles die gleiche Wichse“, sagte Staffelt der taz. Weil ein Verbot dieser rechtsextremen Parteien aber nur in Bonn ausgesprochen werden könne, müsse der Innensenator „alle über diese Organisationen in Berlin gesammelten Unterlagen“ sofort an den Bundesinnenminister weiterleiten. Man müsse eine Grenze ziehen und den Extremisten zeigen: „Bis hierhin und nicht weiter.“

Wie der Sprecher der Innenverwaltung, Hans-Christoph Bonfert, der taz gegenüber versicherte, werde Berlin die Informationen über Strukturen und Verbindungen der NF an das Innenministerium in Bonn weiterleiten. Damit entspreche man einem Beschluß der Innenministerkonferenz (IMK) vor eineinhalb Wochen, auf der ein schnellerer Informationsaustausch vereinbart worden war. Zu den Ergebnissen der Durchsuchungen wollte sich die Innenverwaltung gestern nicht äußern. Auch zu dem Stand der Überprüfung rechtsextremer Organisationen durch das Landesamt für Verfassungsschutz wollte Bonfert nichts sagen. Wenn die Betroffenen vorab von den Ergebnissen erfahren würden, „könnten sie ja gleich einen Möbelwagen kommen lassen, um die belastenden Materialien abzutransportieren“.

Nach dem Bericht des Verfassungsschutzes vom vergangenen Jahr hat die NF von bundesweit 130 Mitgliedern in Berlin 20 Mitglieder. Die NF war bei den Berliner Kommunalwahlen im Mai im Bezirk Hohenschönhausen angetreten. Der Berliner Leiter und stellvertretende Bundesvorsitzende Andreas Pohl hatte zuletzt in einem Flugblatt gegen die Asylbewerberstelle in Hohenschönhausen gehetzt. Wildt/Weiland