■ Portrait: Valeria aus Brasilien
Foto: Astrid Prange
Valeria Lina Lewis sieht rosig und gesund aus. Die 27jährige aus Rio de Janeiro ist glücklich verheiratet. Seit drei Monaten ist sie stolze Besitzerin einer Bar mitten im Nationalpark „Floresta da Tijuca“, dem traumhaften Urwald, der Rios Hügel mit Grün überzieht. Sie schläft vormittags bis um 11Uhr aus und genießt ihr Leben.
„Irgendwann habe ich mir klargemacht, daß es keinen Sinn hat, deprimiert durch die Gegend zu laufen. Mein Leben ist optimal“, meint Valeria. Ihre positive Lebenseinstellung hat sie sich allerdings erst nach zahlreichen Abstürzen ins Tal der Depression zugelegt. Als sie vor drei Jahren, im Oktober 1989, durch einen Bluttest erfuhr, daß sie HIV- infiziert ist, hätte sie sich am liebsten sofort umgebracht.
Den Verdacht, infiziert zu sein, trug Valeria schon zwei Jahre lang mit sich herum. Damals starb ihr Freund plötzlich innerhalb von zwölf Tagen. Seitdem war auch Valeria ununterbrochen krank: Grippe, Hitzeanfälle, Infektionen und im Winter Rheuma.
Um sich über den Schock hinwegzutrösten, gab sich Valeria mit Leib und Seele einer Art Endzeitstimmung hin. Täglich vergnügte sie sich mit einem anderen Liebhaber. Einer ihrer Tanzpartner verliebte sich in sie. „Ich schlug ihm vor, daß wir uns beide auf HIV untersuchen lassen sollten, und er willigte ein. Als ich ihm dann erzählte, daß der Test bei mir positiv ausgefallen ist, starb er plötzlich vor Angst vor mir.“
Seit dieser Erfahrung bewahrt Valeria eisernes Stillschweigen über ihren Gesundheitszustand. Auch ihre Krankenversicherung ist nicht informiert, die Ärztin vermerkt stets eine neue Krankheitsursache bei der Abrechnung. Ihre monatliche Medikamentenration AZT bekommt sie von der brasilianischen Vereinigung für Aidskranke (Abia), wo sie an einer Frauengruppe teilnimmt.
Vor einem Jahr lernte sie ihren Mann Roberto kennen. Der 40jährige gehörte bereits zu Valerias Freundeskreis und wußte, daß sie HIV-infiziert ist. „Es ist ihm egal“, versichert Valeria. Weitere Einzelheiten über ihr Eheleben gibt sie nicht preis. Die Angst, jederzeit durch eine kleine Infektion dahingerafft werden zu können, hat sie in unendliche Ferne hinausgeschoben. Nur eines ist sicher: Ihre Zukunftsperspektive ist ein kleines Grundstück am Strand in der Nähe von Rio, das sie kürzlich zusammen mit Roberto gekauft hat. Dort möchte das junge Ehepaar die sonnigen Wochenenden genießen. Astrid Prange
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen