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Axel aus Deutschland

Schon beim ersten Treffen auf einem Aids-Kongreß in München war Axel von der Krankheit gezeichnet: viel zu groß und viel zu dünn, schwang er sein Rucksäckchen. Aber es gehe ihm gut, sagte er. Helferzellen, AZT, Gewichtsab- und zunahmen, Krankenhäuser, ein paar Ärztenamen, Hoffnung: Seine Auskünfte bewegten sich im magischen Dreieck dieser Krankheit.

Axel Krause, Theologe und Mitarbeiter der Deutschen Aidshilfe, referierte in München über eines der schwierigsten Kapitel von Aids, über „selbstorganisierte, nichtkirchliche Trauer- und Gedenkfeiern von Freunden und Bekannten von Menschen mit Aids“. Schon der unendlich lange Titel seines Vortrages zeigte die Schwierigkeiten des Themas.

Mit Gedichten und Musikstücken, vorgelesenen Briefen und Nachrufen organisierte Axel Trauerfeiern für verstorbene Aidskranke und „tröstete Mütter“. Er tröstete sie, obwohl er sich doch selbst als trostbedürftig empfand. Sein Tun verstand er „immer deutlicher als Hilfe zum Weiterleben“, Hilfe für die anderen und für sich selbst. Die meisten Menschen mit Aids wollen sich nicht von der Kirche beerdigen lassen, die nach wie vor wie keine andere Organisation für die Diskriminierung Homosexueller steht. So „versuchen wir zaghaft, unseren eigenen Weg zu gehen“ (Axel), unseren Abschied selbst zu organisieren.

„Zu den Trauerfeiern kommen hauptsächlich Freunde und Bekannte der Toten. Unter ihnen sind Menschen mit HIV und Aids. Die Anwesenheit von sichtbar schwerkranken Menschen prägt die Feier besonders stark. Für mich ist es die größte Herausforderung, diesen Menschen eine Anwesenheit zu ermöglichen, die nicht zu schmerzlich ist.“

„Viele kommen nicht, weil sie unsagbare Angst vor Aids, vorm Ausbruch der Krankheit und vor dem Sterben haben. Was Martin Dannecker als kollektives Trauma bezeichnet hat, trifft die psychische Verfassung, in der die meisten der Trauernden sich befinden. Darauf habe ich als Antwort bisher nur einen Wunsch gefunden: Ich wünsche uns allen Mut und Kraft, unser Leben weiterzuleben.“

Für ein Konzert mit Esther Ofarim war ihm kein Weg zu weit, dafür jettete Axel einmal um den Globus. Ein Lied der jüdischen Sängerin und ein Gedicht von Else Lasker-Schüler begleiteten ihn auch auf seiner eigenen Trauerfeier im Frühjahr in Berlin. Axel Krause starb am 20. Mai 1992 im Alter von 32 Jahren. Manfred Kriener

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