Gysi schickt die PDS weiter abwärts

Bei seinem baldigen Rücktritt als Parteichef hinterläßt die Symbolfigur der PDS eine zwischen Stasi-Erbschaft und Aufbruch hoffnungslos eingekeilte Partei  ■ Aus Berlin Klaus Hillenbrand

„Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Entschluß gekommen, nicht mehr für diese Funktion zu kandidieren.“ Das ist der Kernsatz einer elfseitigen Erklärung, die der 44jährige Rechtsanwalt Gregor Gysi gestern seinen PDS- GenossInnen zukommen ließ. Für seinen Rücktritt als Parteichef nannte er politische und persönliche Gründe.

Nach fast auf den Tag genau drei Jahren hat Gregor Gysi damit als Parteichef der PDS das Handtuch geworfen. So manche bundesdeutsche Partei hätte Gregor Gysi im Herbst 1989 wohl gar nicht ungern in den eigenen Reihen gesehen. Er habe mit der PDS aufs falsche Pferd gesetzt, meinten etliche Prominente zu dem eloquenten Anwalt. Doch Gysi blieb bei der SED und machte sie zur PDS. In den stürmischen Wendezeiten des Herbstes 1989 hatte sich Gysi als einziger Genosse dazu bereitgefunden, für die kollabierende SED den Parteivorsitz zu übernehmen. „Jetzt reicht's“, mit diesem Worten sprang Gysi bei einer Demonstration vor dem SED-Zentralkommitee gegen die alten Parteibonzen ans Mikrophon. Gysi verkörperte damals jenen SED-Flügel, der mit dem Stalinismus brechen wollte, um eine neue sozialistische Partei zu begründen. Dafür stand auch seine Vita als Rechtsanwalt, der für Oppositionelle in der DDR gekämpft hatte.

Schon eine Woche nach seiner Wahl, im Dezember 1989, änderte die SED ihren Namen in PDS. Doch der alte Name der Einheitspartei blieb, hinter einem Querstrich, zunächst noch erhalten — die „neue Partei“ und auch Gregor Gysi wollten damit ihre finanziellen Ansprüche auf den verstorbenen Staatspartei-Saurier sicherstellen. Im nachhinein war es diese Entscheidung, die die PDS nicht nur in den Ruch brachte, politisch unglaubwürdig zu sein, sondern ihr auch all die finanziellen Altlasten bescherte, die einen Skandal nach dem anderen heraufbeschwörten. Die juristische Nachfolge der SED brachte der PDS nämlich nicht das erhoffte Vermögen – darauf legte die Treuhand ihre Ansprüche –, wohl aber war sie Anlaß für finanzielle Betrügereien und schließlich einen spektakulären Prozeß.

Gregor Gysi wollte von all dem nichts gewußt haben. Auch Informationen, nach denen er ein Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi gewesen sei, brachten den Chef der zur Kleinstpartei mutierten PDS mit ihrer Klientel fast ausschließlich in der Ex-DDR nicht zum Rücktritt – zumal die letzten Beweise nie gefunden wurden. Die andauernde Debatte um die Stasi-Verstrickungen diverser PDS-Mitglieder konnte Gysi freilich auch nicht abwürgen.

Im Oktober dieses Jahres wurde schließlich bekannt, daß sich unter denjenigen, die jahrzehntelang für die „Firma“ tätig gewesen waren, auch der Berliner PDS-Vorsitzende André Brie befand. Damit nicht genug: Gregor Gysi hatte zwei Jahre lang von der Vergangenheit Bries gewußt, aber nichts gesagt – und das, obwohl Gysi verbal immer zu den Verfechtern einer ungeschminkten Aufarbeitung der SED-Vergangenheit gehört hatte.

Verfehlungen im Fall Brie gab Gysi in dem Schreiben an seine Partei gestern auch offen zu. Doch sein angekündigter Rücktritt wird kaum zu einem Befreiungsschlag für die PDS werden. Eher markiert er ihr Absinken zu einer politischen Sekte.