Bewegungsvielfalt mit Zeitgeist

Der Countdown läuft. Noch fünfhundertneunundzwanzig Tage bis zur Eröffnung des deutschen Turnfestes in Hamburg am 15. Mai 1994. Für das Organisationskomitee ein Grund, schon jetzt bei der Sportjournaille bei einem gemütlichen Beisammensein in der eigens für das Turnfest renovierten alten Feuerwache am Millerntor die Werbetrommel für das größte Breitensportereignis zu rühren.

Frisch, fromm, fröhlich, frei, das war das Motto des ersten Turnfestes in der Hansestadt 1893. Und das ist immer noch das Motto des Deutschen Turnbundes (DTB). Aber der gibt sich in einem flott gemachten Werbefilmchen und in Hochglanzbroschüren zunehmend progressiver — dem Zeitgeist verpflichtet. Reichten auch noch 1953 beim zweiten Turnfest in Hamburg die vier großen Fs im Leben eines Turners aus, die Massen zu mobilisieren, müssen heute schon so wahnsinnig elaborierte Wortgeschöpfe wie „bei der eigensportlichen Körpererfahrung die Bewegungsvielfalt erleben“ her.

100000 Teilnehmer werden in der beturnten Hansestadt erwartet, die Mehrheit davon soll in Hamburger Schulen untergebracht werden. Die Leibesübungen werden sämtliche Veranstaltungsräume der Stadt okkupieren. Für ein Ereignis, das nach Berliner Erfahrungen aus dem Jahr 1987 „von der Überfüllung her schlimmer als der Kirchentag war“. Die Oberen der Stadt indes nehmen ein solches Großereignis dankbar an. „Freie und Turnfest-Stadt Hamburg“ etwa fabuliert in einer der Hochglanzbroschüren Henning Voscherau, Hockeyrechtsaußen und Bürgermeister. Kai Rehländer