Babylonische Klangkörper

■ Im Literaturhaus musizieren vier Autoren mit Poesie in russisch, englisch und deutsch

musizierten vier Autoren mit Poesie in russisch, englisch und deutsch

Das Klimpern von Silben im Singsang der Sprache, und als Refrain nur ein Säuseln, ein Schnalzen, ein ausklingender Ton: Das klangvolle Gedicht ist zwar in russischer Sprache gedichtet, doch die konsonantenreichen Pointen des aus Moskau stammenden Dichters Dmitri Prigov zielten am Montagabend im Literaturhaus auch auf deutsche Ohren. An diesem Abend

tönte die Literatur vor allem als Klangkörper, und für die Zuhörer war das Erlebnis tatsächlich ein akustisches.

Als eine Literarische Performance für amerikanische, russische und deutsche Stimmen war denn auch diese - vierfache - Dichterlesung überschrieben. Abwechselnd lasen die Autoren Dmitri Prigov, William Cody Maher, Ted Joans und Jan

Faktor aus ihren von Jazz- und Rockrhythmen oder auch von Gebetslitaneien inspirierten Wortexerzitien. Häufig ging es dabei in rasendem Tempo durch die Zeilen, dann hauchte es wieder flüsternd und fast zärtlich.

Alle vier arbeiteten ausgesprochen lautmalerisch-konkret. Sie nutzten die Sprache insbesondere als Klanginstrument und Bedeu-

tungsmaterial, und gerieten dabei in den Rausch von Wortreihungen und unermüdlichen Sinnabwandlungen.

Daß Dimitri Prigov dies auf russisch tat, William Cody Maher und Ted Joans auf amerikanisch, und Jan Faktor als einziger auf deutsch, das machte den Abend auf eine eigenartige Weise kosmopolitisch, die allerdings nicht darin bestand, daß die Textkunststücke durch ihre Musikalität klischeegemäß als international verständlich präsentiert wurden. Ganz im Gegenteil machten gerade die sprachlichen Unterschiedlichkeiten den Reiz der babylonisch klingenden Veranstaltung aus. Für die vorgetragenen Texte wirkte es sogar zusätzlich belebend, daß die verschiedenen Sprach- und Klangmechanismen sich verselbständigten, während immer auch ein Rest Unverstehbares übrig blieb. Nicht alles bis auf das I-Tüpfelchen verstehen zu können, muß kein Manko sein. Das hat diese literarische Performance deutlich erkennen lassen. Und was sie außerdem gezeigt hat: Daß es auch Literatur fernab vom Mainstream gibt, die mit Witz ihre Zuhörer und Leserinnen unterhalten kann - mit etwas anderen Mitteln als den sonst gängigen. Dorothea Schüler