IG Fußballspieler

■ Neuer Chef der Profikicker-Union

Frankfurt (taz) – „Fußballergewerkschaft“ – den Begriff hört Stefan Lottermann überhaupt nicht gerne. Zum wiederholten Mal erläutert der Neu-Präsident der „Vereinigung der Vertragsfußballspieler“ (VDV) den Medienvertretern: „Gewerkschaften handeln Tarifverträge aus – damit haben wir nichts zu tun. Wir sind ein Berufsverband.“ Doch ob Schraubenzieher oder Schraubendreher, in den fünf Jahren seit ihrer Gründung hat die VDV für ihre Mitglieder einiges von gewerkschaftlicher Qualität erreicht. Im deutschen Herbst 1992 geht es noch um mehr als um die Rechte von Fußballspielern: „Die Vereinigung der Vertragsfußballer lehnt jede Form von Ausländerfeindlichkeit ab. Fußball ist ein gutes Beispiel, daß verschiedene Nationalitäten gut zusammenleben können. Wir unterstützen jede Initiative, die das Miteinander zum Ziel hat“, beschloß die Vollversammlung. Damit es nicht nur bei der ehrenvollen Absicht bleibt, will Jürgen Rollmann, neuer Vize-Präsident der VDV und Torwart des MSV Duisburg, gemeinsame Aktionen mit Fanklub-Initiativen. Allerdings: „Das Bedürfnis, sich zu diesem Thema zu äußern, ist noch nicht so alt. Aber wir werden uns demnächst mit konkreten Ideen auseinandersetzen.“

Einen ersten Vorstoß in diese Richtung hatte der DFB Anfang des Jahres stillschweigend abgebügelt. Die VDV hatte vorgeschlagen, ein Goodwill-Spiel zwischen einer Bundesliga-Auswahl (inclusive 2. Liga) und den in Deutschland spielenden Ausländern zu veranstalten. Nichts Neues also von der Altherren-Riege des DFB. Anders dagegen bei der Fußballervereinigung. Was bei „normalen“ Gewerkschaften eine mittlere Kandidatenschlacht auslösen würde, hat die VDV ganz unspektakulär gelöst – einen Nachfolger für den ausscheidenden Präsidenten Benno Möhlmann zu finden. Gründungsmitglied Möhlmann, inzwischen HSV-Cheftrainer, sah sich Loyalitätskonflikten ausgesetzt und trat zurück.

Unter seiner Präsidentschaft hat sich die VDV von ihren belächelten Anfängen zu einer respektablen Spielervertretung entwickelt.

800 Profis und somit 70 Prozent aller Vertragsspieler sind inzwischen in der Fußballvereinigung organisiert. Der VDV bietet Serviceleistungen an, etwa Vorsorgemaßnahmen bei Berufsunfähigkeit oder Rechtsberatung. Gerade erst hat die Bundesanstalt für Arbeit (BfA) der VDV das Recht zugesprochen, als Arbeitsvermittler zu agieren, sprich: eine Transferstelle zu betreiben. Damit kommt die Fußballervertretung ihrem großem Ziel näher, den Spielervermittlern das Wasser abgzuraben.

Stefan Lottermann wird sich nicht lange einarbeiten müssen – er war und ist der Geschäftsführer der Spielervereinigung, eine zweifellos etwas kuriose Konstellation. Der bisherige Vize-Präsident Karl Allgöwer bleibt der VDV als Schatzmeister erhalten.

Der beachtliche Erfolg der Profikicker hat mittlerweile auch andere Sportler animiert, sich zu organisieren. Ex-Eishockeyprofi Jörg Hiemer, seit 14 Tagen Geschäftsführer der noch jungen Vereinigung der Eishockeyspieler (VDE), ist jedenfalls beeindruckt: „Von dem, was die Fußballer schon erreicht haben, können wir bisher nur träumen. Wir müssen uns noch damit herumschlagen, daß manche Vereine Post von uns den Spielern unterschlagen.“ Immerhin war der Deutsche Eishockeybund (DEB) von der Gründung der VDE im April diesen Jahres so erschrocken, daß er gleich von sich aus Gespräche anbot.

Die vergreisten Sportfunktionäre in NOK und DSB sollten schleunigst ihre Hörgeräte lauter stellen, denn Stefan Lottermann hat eine Vision: „Wir werden bald einen Dachverband der organisierten Profisportler haben!“ Matthias Kittmann