Schnellere Abschiebung EG-weit

Zwölf Innenminister diskutierten beim Londoner Treffen der Trevi-Gruppe vereinheitlichte Verfahren/ Keine Quotenregelung für die Verteilung von Flüchtlingen auf ganz Europa  ■ Von Dorothea Hahn

Berlin (taz) – „Wir sind uns alle einig“, hatte der britische Innenminister Kenneth Clarke schon vor Beginn des Londoner Treffens mit seinen Amtskollegen aus den übrigen EG-Ländern gesagt. Der Diskussionsverlauf am Montag gab dem Gastgeber weitgehend recht. Alle zwölf Minister beschlossen, künftig kurzen Prozeß mit Flüchtlingen zu machen. Asylbewerber, deren Anträge „offensichtlich unbegründet“ seien, sollen ebenso abgelehnt werden wie Menschen, die zuvor bereits in Drittländern Asylanträge gestellt haben. Sollten die Resolutionen von den Regierungen abgesegnet werden, müssen Tausende von Flüchtlingen, die jetzt noch Schutz in der EG fänden, mit Abschiebung rechnen.

Wie üblich tagte die Trevi- Gruppe hinter verschlossenen Türen und ließ nur wenige Informationen durchsickern. Weder die EG noch das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) waren an der zweitägigen Sitzung, die gestern zu Ende ging, zugegen. Asylpolitik gehört nicht zu den Kompetenzen der EG. Das würde sich auch durch die Maastrichter Verträge nicht ändern. Völlig unkontrolliert von den Gemeinschaftsorganen, wird sie in zwischenstaatlichen Absprachen der Minister für Einwanderung, Polizeifragen und Innenpolitik betrieben.

In London beschlossen die Minister ein vereinheitlichtes Vorgehen gegen Flüchtlinge. Menschen, die aus Bürgerkriegen kommen, sollen künftig nachweisen, daß sie vor ihrer Flucht ins Ausland sämtliche legalen Möglichkeiten im Heimatland erschöpft haben. Im Zweifelsfall müssen sie auch erklären, warum sie nicht in einem „sicheren“ Landesteil ihrer Heimat oder in einem Nachbarland untergeschlüpft sind. Asylbewerber, die ohne Ausweispapiere ankommen, müssen damit rechnen, daß ihre Anträge in einer Schnellprozedur abgehandelt werden. Die zwölf Minister wollen den Austausch von Fingerabdrücken von Flüchtlingen intensivieren. Damit wollen sie verhindern, daß mehrfach Asylanträge gestellt und „Mißbrauch an Sozialleistungen“ betrieben wird. Weiter wollen sie eine europäische Sammelstelle (clearing house) einrichten. Die dort gesammelten Daten sollen in die „Harmonisierung“ der Asylpolitiken einfließen.

In einer Resolution über „offensichtlich unbegründete Anträge“ legten die Minister fest, welche Flüchtlinge mit einem verkürzten, einmonatigen Verfahren abgefertigt werden können. Ihre Kriterien für „offensichtlich unbegründete Anträge“ legten sie nicht offen. Eine Vereinheitlichung suchen die Minister auch in der Bestimmung von „sicheren Drittländern“, in die Flüchtlinge abgeschoben werden können. Eine Annäherung suchen sie auch in der Bestimmung von Ländern, die überhaupt keine Fluchtgründe liefern.

Praktische Hilfen für diejenigen Menschen, die auf der Flucht vor Verfolgung sind, standen in London nicht auf der Tagesordnung. Am Rande des Treffens wurde lediglich bekannt, daß Großbritannien bereit ist, 1.000 Menschen aus Internierungslagern in Ex-Jugoslawien aufzunehmen. Der deutsche Vorschlag, ein Quotensystem zur „gerechten“ Verteilung von Flüchtlingen über die gesamte EG einzurichten, wurde abgelehnt. Ein Lob erntete die Bundesregierung hingegen für ihre Politik gegen rechtsradikale Kräfte in Deutschland. Der italienische Innenminister regte eine gemeinsame Kampagne gegen Rassismus in Europa an.

Vertreter der Bundesregierung zeigten sich nach dem Treffen erleichtert. Seit 18 Monaten habe Bonn versucht, diese Wende in der europäischen Asyldebatte zu bewirken, sagte Eduard Lintner vom deutschen Innenministerium in London. Innenpolitisch würden die Londoner Ergebnisse den Befürwortern einer Grundgesetzänderung den Rücken stärken.

Zufrieden war auch Gastgeber Kenneth Clarke. Zur Untermauerung seiner eigenen Asylpolitik sagte er, das deutsche Beispiel zeige, was passiere, wenn man zu viele Flüchtlinge ins Land lasse: Wirtschaftskrise und Rassismus.

Britische Flüchtlingsorganisationen beschuldigten die Londoner Regierung, ihre eigenen scharfen Asylgesetze in die übrigen Länder der Gemeinschaft exportieren zu wollen. Diese Politik lasse die meisten Flüchtlinge aus Kriegsgebieten vor der Tür.

In einem Brief an Kenneth Clarke hatte auch die Generalsekretärin des UNHCR, Sadako Ogata, die Trevi-Gruppe gemahnt: Das korrekte Verfahren gegenüber Asylbewerbern und vor allem die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen dürften auf keinen Fall verletzt werden.