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: Kohle entzweit die EG

Berlin/Brüssel (taz/dpa/ AFP) – Wenn am 1.Januar 1993 der EG-Binnenmarkt in Kraft tritt, bleiben die Grenzen zumindest in einem Bereich vorerst verschlossen: im Energiesektor. Die Pläne der Brüsseler EG-Kommission, die Kohlesubventionen schrittweise zu streichen und damit auch die Strom- und Stahlwirtschaft EG- weit anzugleichen, scheiterten am Montag.

Die EG-Kommission hatte in der vergangenen Woche vorgeschlagen, nach Auslaufen der derzeitigen Bestimmungen für die Vergabe staatlicher Beihilfen im Kohlebergbau ab 1994 nur noch Subventionen zu gewähren, wenn mit ihnen die Produktionskosten der teuer arbeitenden Zechen an den durchschnittlichen EG-Preis von 220 Mark pro Tonne geförderter Kohle herangeführt werden.

Obwohl die EG-Kommission eine Mehrheit für ihre Pläne sah, wurden diese vor allem von den Deutschen blockiert – und verabschiedet werden können sie nämlich nur einstimmig. Zu den Merkwürdigkeiten gehört dabei, daß Möllemanns Position sich in Deutschland selbst keineswegs ungeteilter Zustimmung erfreut. Hier ist längst der Streit über den im letzten Jahr geschlossenen Kohlekompromiß entbrannt. Der schreibt der Stromindustrie vor, ausschließlich die subventionierte und dennoch teure deutsche Kohle bis 1995 zu beziehen, die Stahlindustrie muß gar bis zum Jahr 2000 abnehmen.

Sowohl Strom- als auch Stahlproduzenten würden aber aus dem Kohlekompromiß am liebsten sofort aussteigen und nur noch billige Importkohle einkaufen, verursacht die Abnahmeverpflichtung beim deutschen Bergbau ihnen doch Mehrkosten in Höhe von zig Millionen. Auf der anderen Seite geraten die Kohlesubventionen auch im Regierungslager immmer mehr unter Beschuß. Dagegen steht der Druck der Bergbauindustrie und der Gewerkschaften, die ein völliges Aus des deutschen Bergbaus befürchten. Die Kohlehalden sind bereits auf 23 Millionen Tonnen angewachsen. Schon im nächsten Jahr werden 8.300 Arbeitsplätze verlorengehen, und weitere Stillegungen scheinen unvermeidbar: Im Gespräch ist, neun der insgesamt 26 Zechen stillzulegen und 40.000 Beschäftigte zu entlassen.

Auch auf EG-Ebene muß – trotzdem Möllemann die Kommissionspläne vorerst ablehnte – bald ein Kompromiß gefunden werden. Ohne eine Einigung über die Kohlesubventionen bis Ende kommenden Jahres würden nämlich gemäß den EG-Verträgen alle Subventionen an die Kohleindustrie untersagt. Wie ein solcher Kompromiß aussehen wird, hat der derzeitige EG-Energiekommissar, António Cardoso e Cunha, deutlich gemacht: In seinen Augen sind die Ergebnisse der deutschen Kohlerunde von 1991 mit Blick auf den EG-Binnenmarkt auf Dauer nicht haltbar. KV