: Das Teure am Theater ist das Spielen
■ Warum sind mitten in der Spielzeit Theaterferien, Herr Heyme?
Die Lage war noch nie so erstaunlich. Nach Chaos und Dilletantie hat das Bremer Theater einen neuen Generalintendanten, Hansgünther Heyme, das theaterbegeisterte Publikum atmet nach den ersten Premieren auf, die regionale Presse jubelt ( Ausnahme: Tochter der Luft): endlich wieder ansehnliches Theaterhandwerk in der Stadt, die allmächtige Flüsterpropagande meldet Überlegungen Fricsay-Verprellter, wieder zu abonnieren. Und dann brechen im Schauspielhaus mitten in der Spielzeit Theaterferien aus. Im November wird dort noch 11 mal gespielt, im Dezember sind es noch 7 mal. Über Weihnachten, wo 1991 am zweiten Feiertag ein ausverkauftes Haus ungeduldig den Beginn des sich verspätenden Amadeus erwartete, wird der Betrieb ab 21.12. für eine Woche eingestellt. Davor zwei Tage Eduard der zweite, davor 14 Tage NICHTS. Zum Aus
hier der Kopf
gleich gibt die „Oper“ am Goetheplatz Weihnachtsmärchen (14 mal) und die Operette „Lustige Witwe“ (10 mal). Besorgt, wie der Hansgünther Heyme mit diesem unfreiwilligen Ferieneinbruch die Zuschauer ins Theater zurücklocken will, wie er versichert hat, eilen wir zu diesem. Doch da wird alles immer erstaunlicher. „Ja, Sie müssen doch
nicht glauben“, sagt der Generalintendant „daß wir hier Ferien machen. Die 17 Schauspieler, die hier sind, sind so beschäftigt, wie sie bisher, also von einem Teil des Ensembles ist das auf jeden Fall zu sagen, in ihrer ganzen Berufszeit nicht gearbeitet haben.“ Beschäftigt womit? „Mit den sechs oder sieben Premieren, die wir bis jetzt gemacht haben.“ — Aber die Stücke verschwinden doch kurz nach der Premiere alle aus dem Spielplan! — „Na sicherlich. Wenn wir Ghetto weiter spielen wollen, kostet eine Vorführung am Abend, also nur von den zusätzlichen Kosten her, ca. 10.000 bis 12.000 Mark. Und die sind nicht drin.“ (Erinnere: Heyme lebt in Fehde mit Senatorin Trüpel, weil die seine Etatüberziehung in Millionenhöhe nicht dulden mag). „Das ist ja auch das Problem, daß man Geld nur einsparen kann, wenn man weniger spielt. Denn das Spielen ist ja das Teure am Theater und nicht das Nichtspielen.“ Wir beschließen, über Kleinigkeiten nicht mehr zu staunen, wie die, daß der Herr über festes Ensemble und 46 Millionen-Etat meint, nur durch Nichtspielen zu sparen, oder die, daß er die Kosten für Ghetto, wo der allgemeine Satz wegen hohen Gastspieleranteil relativen Sinn macht, genau doppelt so hoch angibt, wie der Verwaltungsleiter Rolf Rempe. Aber wie kommt es, daß auch die vielgelobte Helena, für Bremen produziert mit dem Star Margit Carstensen, nach neun Vorstellungen im Oktober für drei Monate von der Bremer Bühne verschwindet? Wir hören, daß erstens Frau Carstensen — überall als Heyme-Ensemblemitglied vorgestellt — „hier nicht fest engagiert ist“ und außerdem gerade im Residenztheater in München ihren unbezahlen Gastierurlaub nimmt.
Wir staunen doch schon wieder, haltlos: „Und daß Frau Carstensen gar nicht da ist, das war kein Grund dafür, daß dieses Stück (die Helena) nicht gespielt wird?“ Hansgünther Heyme: „Nein, Frau Carstensen war gottseidank nicht da. Die Disposition, wie sie jetzt vorliegt, war ja vor einem halben Jahr gemacht. Ich war ja sehr froh, daß sie nicht da ist, weil ich sie nicht bezahlen muß. Natürlich ist sie jetzt nicht da, ich hätte sie (Helena, U.S.) nicht spielen können.“ Warum nicht? „Wenn wir wieder einen Block gehabt hätten, wo wir von Ghetto auf Helena hätten umbauen müssen, hätte man wieder Ghetto nicht spielen können.“
Geneigte Leserinnen und Liebhaber des Theaters, bitte folgen Sie mir noch einen Schritt weiter ins Reich es Unwahrscheinlichen. Den tiefsten Grund für die sich auch im Januar weiter auftuenden Spielplanlöcher sieht der Generalintendant in Stellen, die seit ehe und je im Schauspielhaus fehlen. Ihres Fehlens wegen dauern die Umbaupausen für die in Essen erarbeiteten aufwendigeren Stücke drei bis vier Tage, ihretwegen kann vor aufwendigeren Premieren wie der von Eduard dem Zweiten im Dezember vierzehn Tage nicht gespielt werden. Mit Kresniks anspruchsvoller Produktion Wendewut werde das im Januar auch so weiter gehen. „ Eine Endeinrichtung mit einer „Phase von 6 oder 7 Tagen ist das allermindeste, was eine Produktion braucht.“ Das sei auch bei seinem Vorgänger nicht anders gewesen sei. Das ist nachweislich falsch. Im Gegensatz dazu sind die Vorabsprachen mit der SPD des alten Ressorts für Bildung, Wissenschaft und Kunst für die fehlenden Fünf nicht nachweislich. Abhilfe werden in Zukunft nur „äußerste Kleinproduktionen“ bringen, deren Ausstattung und Umbau mit der vorhandenen Bühnentechnik einzurichten sind.
Aber getrost, der Intendant, dem die Anpassung an den gegebenen Rahmen der kleineren Bremer Bühne so bitter wird, hält sich nicht für fehl am Platz hier: „Was meinen Sie damit? „ Uta Stolle / F.: K.H.
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