„Die Freie Universität wird ausgepowert“

■ Beim Hochschultag an der FU war die Klage über die Kürzungspolitik des Wissenschaftssenators wichtigstes Thema

Berlin. Die miserable Situation von Lehre und Studium war gestern Thema des Hochschultages der Freien Universität (FU). An dem „dies“, für den alle Lehrveranstaltungen abgesagt worden waren, nahmen weniger Studierende als erwartet teil. Rund 1.500 dürften es gewesen sein, die zunächst in den einzelnen Fachbereichen und nach dem Mittag bei den zentralen Veranstaltungen im Henry-Ford- Bau über die Lehr- und Lernmöglichkeiten an der Freien Universität diskutierten.

Während der Podiumsdiskussion im Audimax, die bei Redaktionsschluß noch nicht beendet war, protestierten Studierende mit einer Aktion gegen die Kürzungspolitik von Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU). „Wir wollten ihm mal zeigen, was es bedeutet, wenn ein Drittel der Studierenden aus dem Auditorium Maximum sich zu ihm aufs Podium setzt“, begründete ein Asta-Vertreter die Aktion.

Erhardts Mittelkürzungen dürften die StudentInnenzahlen an der FU in einigen Jahren um ein Drittel schrumpfen lassen. Die Landeshochschulstruktur-Kommission sieht als Schwerpunkt ihrer in zwei Wochen vorzulegenden Abschlußempfehlung die Verlegung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer der Humboldt-Universität nach Adlershof. Dies sagte am Nachmittag vor rund 200 Studierenden Wieland Hempel aus dem Wissenschaftssenat. Außerdem wolle die Beraterkommission von Manfred Erhardt die zu starke Einzelsteuerung der Universitäten durch „einen anderen Mechanismus verbessern“.

Der Vizepräsident der FU, Werner Väth, sagte bei der gleichen Veranstaltung, daß die Berliner Hochschulpolitik seit dem Mauerfall „strukturell und finanziell“ überfordert sei. „Die FU wird dabei ausgepowert“, meinte Väth. Er forderte eine neue „verbindliche Leitidee für die Bildungspolitik“. Diese müsse einen größeren Stellenwert bekommen. „Universitäten sind wichtiger als Straßenbau“, rief Väth.

Der FU-Vizepräsident ermunterte die größtenteils nicht anwesenden rund 61.000 Studis der FU, „ihre Professoren zu fordern“. „Sie werden sehen, sie bewegen sich doch.“ Gleichzeitig wies ein Student im Senatssaal die an seine KommilitonInnen adressierte Bitte zurück, sie sollten von sich aus Lehrveranstaltungen und Professoren bewerten. Der Student konstatierte – wie viele andere TeilnehmerInnen der Veranstaltung über die Evaluation von Lehrleistungen auch – Sprachlosigkeit und Angst unter den Studierenden. Es sei nicht einfach, „außerhalb des Vokabulars von Evaluierungsbögen“ die eigenen Wünsche und die Kritik zu formulieren. Die Studierenden müßten erst mal „ihr ganzes Desinteresse“ zum Ausdruck bringen. Dann könne man über die offiziellen Evaluierungsergebnisse sprechen.

Ähnliche Erkenntnisse berichteten die TeilnehmerInnen der Treffen in den Fachbereichen, die meist nur mäßig besucht waren. Bei den Politologen wie auch am Fachbereich Physik, in der Philosophie und bei den Erziehungswissenschaftlern kritisierten jeweils etwa ein halbes Hundert Studierender die Lehrsituation. Im Fachbereich Jura sagte Professor Joachim Schulze-Osterloh vor etwa 100 Studierenden: „Jede Lehrveranstaltung ist so gut, wie Sie es zulassen.“ Viele Studierende übten Kritik am Hochschultag, weil er „aufgesetzt sei“. Es gebe große Resignation über die Verhältnisse an der Universität, sagte der Politikstudent Lars Vogelsang. Ein Jurist meinte: „Hier kann inhaltlich zur Verbesserung der Lehre kaum was passieren, weil es sofort um Mittel gehen wird.“ Christian Füller